Previous Page  98 / 549 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 98 / 549 Next Page
Page Background

100

[105/106]

lich wie Leben Lebendiges, stoffliche Vorgänge Stoffliches als Mutterschoß ver-

langen. Darum muß der Mensch jeweils „für eine Wahrheit reif sein“, um sie

denken zu können, nicht bloß körperlich dafür vorbereitet; zum Beispiel gesund

sein, um ruhig denken zu können. Der Übergang des Geistigen aus der Möglich-

keit in die Sinnfälligkeit ist an sich noch keine Verleiblichung, er ist vielmehr eine

Gestaltung auf eigener Ebene, eine rein geistige Geburt in Gezweiung. Die Ver-

bundenheit des Geistes mit der stofflichen Welt und im besonderen der Gebrauch

von W e r k z e u g e n zum Schaffen ist durchaus eine Sache für sich.

Der genetische Vorrang des W i r k l i c h e n in der Umgliederung ist, noch-

mals sei es gesagt, demnach nicht nur in der Verbindung des Geistes mit dem

Stoffe (Gezweiung höherer Ordnung) begründet, sondern vorgegebene Wirklich-

keit in der Gezweiung (1), in der organischen Materie (2), in den Werkzeugen

(3) und all dem gemäß Junggeborenheit (4) sind die Erfordernisse der Umglie-

derung.

/

In unserer „Kategorienlehre“ wurde dieser grundsätzliche Tatbestand außer-

dem dargestellt durch die Sätze: Ganzes kommt nur aus Ganzem, = Wirkliches

kommt nur aus Wirklichem (Abstammung); Ganzes gleicher Art kommt nur

aus Ganzem gleicher Art (Verwandtschaft). — Damit ist die Unabhängigkeit des

genetischen Vorranges der jeweiligen Wirklichkeit von der Verbindung des

Geistigen mit der Stofflichkeit (von der Gezweiung höherer Ordnung) gegeben.

Daß deren Verwirklichung außerdem vorgegeben ist, kommt erst noch hinzu.

IL Daß der aristotelisch-scholastische Satz: „Das Sein kommt zur

Wesenheit der Dinge hinzu“ unhaltbar sei und auf einem falschen

Prädikationsbegriffe beruhe. — Welche Erweiterung des ontologi-

schen Gottesbeweises daraus folge, wenn das Sein nicht als allge-

meinstes Prädikat der Dinge (leere Kopula), sondern als die Quelle

der Prädikate gedacht werde

A. A l l g e m e i n e E r k l ä r u n g

In der Seinslehre des Aristoteles, der Scholastiker, Kantens und

Schellings gilt der Satz: daß zur Wesenheit (essentia,

ούσία)

das

Dasein (esse, existere) hinzukomme

1

. Es wird hinzugefügt, daß nur

1

Für Aristoteles gilt dieser Satz schon infolge der vielfachen Bedeutung von

„Sein“ und „Wesenheit“

(όν

und

ούσία)

nicht einheitlich. Soferne in seiner Lehre

aber die Wesenheit als reine Ferm (als

τό τί ήν είναι

“,

als

ή χατά λόγον ού

σ

ία

,

als

μορφή

,

essentia) und mithin als Zeitloses, das heißt als Ubersein

gefaßt wird, gilt jener Satz vom Auseinanderfallen der Wesenheit und des Seins

unzweifelhaft; soferne dagegen in Aristoteles’ Lehre nur die Einzeldinge

ύνολ- ον, ού

σ

ία

im Sinne des

τόδε

τι

,

individuum) sinnfällige Wirklichkeit, Sosein, Sein

in dem (nach Aristoteles) eigentlichsten Sinne haben, gilt er nicht. — Strittig ist