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Prämissen im Gange des Lebens bedeutet. Man wünscht das Verstoßene oft

zurück. Was man „Rückschlag“, „Reaktion“ nennt, beruht großenteils dar-

auf. — Ähnlich auf wirtschaftlichem Gebiete. Wer von denen, die die Umstürze

machten und die Gewerbefreiheit einführten, hat 1789, 1830, 1848 an die ver-

wüstende Steigerung des Erwerbssinnes, an die Gründerzeiten, die Proletari-

sierung, die Krisen, die Orgien der Reklame gedacht? Wer überhaupt die

dauernde geistige Umstellung, die bis heute anwächst, abgeschätzt? Ebenso in

der Technik. Wer von denen, die die Buchdruckerkunst erfanden, konnte die

Macht / der Presse und Oberpresse (der sogenannten Korrespondenzbüros)

voraussehen?

Nimmt man die Spannungen im Ganzen, so vervollständigt sich dieses Bild

dahin, daß neue gesellschaftliche Schichten, das heißt aber eine andere Art von

Menschen mit ihren anderen Kräften herangezogen, eingegliedert und geweckt

werden. So kommen z. B. bei Einführung einer liberalen Verfassung neue

Menschen, neue Schichten empor. Vertreter und Richtungen, die man nicht

kennt, kommen an die Regierungen. Neue Kräfte steigen dann gewissermaßen

aus der Unterwelt herauf. Sie haben für sich, daß sie im Gegensatze zu den

abtretenden frisch und unverbraucht sind. Aufstand, Umsturz (Revolution)

ist ja fast immer nur dadurch möglich, daß das alte Führertum verbraucht

und schwach ist.

Außer dem Sprung ins Dunkle ist, was uns aus der Erörterung

der Brüche ebenfalls schon bekannt, wesentlich

2. Die Unersetzlichkeit des Verlorenen

Was man so oft sagt, daß das Rad der Geschichte nicht zurück-

gedreht werden kann, beruht vornehmlich auf der Unersetzlich-

keit dessen, was durch den Bruch verloren ging. Sie bedeutet für

die Politik: daß „Wiederherstellung“, „Restauration“ des Alten

nicht möglich ist. Niemals in der Geschichte sehen wir, daß eine

Wiederherstellung in Wahrheit stattgefunden hätte. Was sich öfters

so nennt, ist doch immer etwas sehr anderes als das Alte.

Napoleon sagte von den Emigranten, die er zurückgerufen hatte, sie hätten

„nichts gelernt und nichts vergessen“. Das war ein geschichtlich vernichtendes

Urteil. Hätte man sie aber auch in ihre alten Rechte wieder eingesetzt — das

war aber nicht möglich, die Welt war schon neu verteilt — sie hätten diese

nicht wieder in alter Weise ausüben können. So steht es auch bei Wiederher-

stellungen von Fürstenhäusern, so auch von allgemeinen geistigen oder politi-

schen Zuständen, so auch von wirtschaftlichen Zuständen. Denkt man an Wie-

derherstellung, dann ist das Alte wie die Wolken des gestrigen Tages, dahin

und verloren. Sein Lebensgehalt allerdings, der kann erhalten und lebendig

bleiben für alle Zeiten. — Im Grunde stoßen wir hier auf dasselbe, was sich

als „Nichtumkehrbarkeit“ des Umgliederungsganges schon in früherem Zusam-

menhange ergab.

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