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des Einzelwesen nicht nur, sondern auch jede Ganzheit — z. B. jeder

Mensch nicht nur, sondern auch jeder Staat — bedarf in der Zeit

der Anknüpfung / an frühere Einzelwesen und Ganzheiten. Daß das

eine Wesen aus dem anderen hervorgeht, trifft aber nur auf der

körperlichen Ebene des Lebens zu. Die Z e u g u n g ist die höchste

Form dieses Hervorgehens. Für die geistigen Wesen ist ein Hervor-

gehen aus einander undenkbar. Vielmehr tritt der Geist des Einzel-

wesens auf einmal in die Welt, er tritt als „gegründeter“ auf, er

wird nicht gezeugt. Das Entscheidende ist hier, daß der Geist da-

durch der Anknüpfung an ein Früheres dennoch nicht enthoben

wird. Zwar ist die Gründung des Geistes an die körperliche Zeu-

gung nur als an eine Vorbedingung gebunden, aber der neu gegrün-

dete Geist selbst ist durch Mit-Umgliederung an frühere Geister

gebunden. Die Gezweiung in der Zeit sorgt dafür, daß Geist nur

an Geist (nicht aus Geist) wird. Indem sich so die Gezweiung als

Mit-Umgliederung, als Vorgang in der Zeit abspielt, wird sie zur

geistigen „Abstammung“. Die der Gezweiung (als an sich systema-

tische Kategorie gefaßt) entsprechende geschichtliche oder genetische

Kategorie ist daher die Abstammung im geistigen Sinne. Abstam-

mung ist als Mit-Umgliederung stets gemeinsame geistige Abstam-

mung mehrerer.

Es braucht nicht näher auseinandergesetzt zu werden, daß die geistige Ab-

stammung nicht die Freiheit, das E i g e n l e b e n des Gliedes, vernichtet. Wenn

z. B. Aristoteles von Platon geistig abstammt, so hindert das nicht, daß schon

seine Gründung eine arteigene ist und die Entfaltung diese Arteigenheit bewahrt.

Ferner lehrt uns der Begriff der geistigen Abstammung, daß in dem Abkömm-

ling schon a l l e E l e m e n t e v o n A n b e g i n n e n t h a l t e n s e i n

m ü s s e n , die später hervortreten. Damit ist ja nichts anderes als der Begriff

der G r ü n d u n g bestätigt. Die Entfaltung kann nichts grundsätzlich Neues

hervorbringen, sie kann nur das, was von Anbeginn angelegt, gegründet ist, aufs

Verschiedenste ausgestalten. Dafür sei einmal ein weiter abgelegenes Beispiel

erlaubt. Wenn es in der Wirtschaft „Geld“ überhaupt gibt, so muß „Geld“ schon

in der einfachsten Wirtschaft, die überhaupt denkbar ist, angelegt sein. Wenn

sogar die Gründung der Wirtschaft schon in der einfachsten Urzeit in solcher

Weise, wie man es sich heute (fälschlich) auf darwinistische Art denkt, statt-

gefunden hätte, so müßte „Geld“ bereits darin angelegt sein. / Und in Wahrheit

ist keine Wirtschaft denkbar, die nicht als Organisationselement (als „Kapital

höherer Ordnung“) dasjenige schon in sich schließt, was unter äußerst künst-

lichen und vielfältig ausgestalteten Verhältnissen später „Geld“ heißt und selbst

wieder mannigfache Formen annimmt.

Das muß man sich vor Augen halten, wenn man verstehen will, daß und

warum a u c h a l l e G a n z h e i t e n n i e m a l s o h n e a r t g l e i c h e