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nardo da Vinci nicht übertroffen wird. — Es ist ein Irrtum, daß

uns Naturkunde über den Anfang und den Gang der Geschichte

das Licht bringen könne, ein so tief eingewurzelter Irrtum, daß

man wohl verzweifeln möchte, ihn heute zu widerlegen. Der Geist

ist es doch, der uns in der Geschichte entgegentritt! Es widerspricht

dem Vorrange des Geistes, wenn wir in der Tiergeschichte sein

Erstes erblicken. Umgekehrt! Es wird die Zeit kommen, wo man

die Tiergeschichte wieder mit Hilfe der Geistesgeschichte erklären

wird (wie schon die großgedachte Naturphilosophie Schellings, wie

alle Mystik von jeher tat). / Zeigt doch die Einzelgeschichte des Tie-

res und des Menschen deutlich eine entgegengesetzte Richtung. Das

Tier ist in erster Jugend viel menschenähnlicher als später; das deu-

tet auf Verlieren des Menschentums, Versinken ins Tierhafte. Der

Mensch ist in erster Jugend tierähnlicher als später; das deutet auf

Verlieren des Tierischen, Gewinnen des Geistigen, Selbstvertiefung

des Geistes. Naturgebundenheit des Geistes bedeutet nicht seine

Naturabstammung.

Das erste, was nötig ist, um den naturalistischen Gedanken zu

besiegen, ist die Besinnung auf die Stellung des Geistes in der kos-

mischen Welt. Der Geist ist etwas so Kostbares, daß er nur selten

in der Natur anzutreffen ist. Unendliche Massen, ganze Welten

wüster, öder Natur sind nötig, um dem Geiste eine Stätte (gleich-

sam Organe, die die seelische Aktion durch Begrenzung vertiefen)

zu bereiten. Wenn die Erde daher in gewissen Erdzeitaltern unbe-

wohnbar gewesen sein sollte, so beweist das nicht, daß der Geist

sich langsam aus Naturzuständen auf der Erde emporgerungen

habe, es beweist nie und nimmer das Widersinnige, daß der Geist

aus dem Stoffe, der Mensch aus dem Tiere entstand; es beweist auch

nicht, daß kein Geist war; es beweist nur, daß der Geist nicht dort

war, wo man die Naturzeugnisse besitzt. Auch in dem äußersten

Falle, daß die heutige materialistische Naturwissenschaft äußerlich

bis zu einem gewissen Grade Recht hätte (wie unsicher sie aber

geworden ist, zeigt die heutige Krise aller ihrer Fächer

1

— auch in

diesem Falle kann der geistige Urbestand des Menschen keineswegs

verneint werden.

1

Vgl. meinen Vortrag: Die Krisis in der Volkswirtschaftslehre, München

1930, S. 15 ff. (Krise des naturwissenschaftlichen Wissensbegriffes.)