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B. B l i c k e a u f d i e i d e a l i s t i s c h e G e s c h i c h t s -

p h i l o s o p h i e

1

Von alters her ist aller Religion und Metaphysik geschichtsphilo-

sophisches Denken eigen. Denn keine Religion und keine Meta-

physik kann an dem Urteil über das Ziel der Weltgeschichte, über

Anfang und Ende der Welt, über das Schicksal des Menschen vor-

übergehen. Und eben dieses Urteil ist der Mittelpunkt einer meta-

physischen und idealistischen Geschichtsphilosophie.

Die Darstellung der idealistischen Geschichtsphilosophie ist aber

überall nur möglich, wenn sie im Zusammenhange mit dem jewei-

ligen gesamten philosophischen Lehrgebäude erfolgt. Das erforderte

jedoch ein so genaues Eingehen auf die philosophischen Grundlagen

jedes Lehrgebäudes, daß wir den Zweck, den wir uns in diesem

Buche vorgesetzt haben, verfehlen würden. Darum muß sich unsere

folgende Darstellung auf das äußerste beschränken und kann nur

einige bezeichnende Lehrgebäude aus der gesamten großen Ge-

schichte herausgreifen.

/

1. Die Geschichtsauffassung der altindischen, iranischen, griechischen

und germanischen Religion

Wie sehr alles religiöse Denken genötigt ist, geschichtsphiloso-

phische Gestalt anzunehmen, lehrt am besten die altindische Reli-

gion und Philosophie. Die indischen Veden kennen einen Schöp-

fungsmythos, der die einmalige Schöpfung der Welt lehrt, und durch

einen anderen Mythos, der gleichsam die Fortsetzung oder Er-

neuerung dieser Schöpfung lehrt, ergänzt wird. „Die von Brahman

geschaffene Welt, sagt Deussen, besteht eine Weltperiode (Kalpa)

hindurch, worauf sie im Brahman zurücktritt, um immer wieder

neu aus demselben hervorzutreten, da bei jedem Weltuntergange

immer noch Werke der Seelen vorhanden sind, welche zur Sühnung

ein abermaliges Dasein und somit eine neue Schöpfung der Welt

1

Der in philosophischen Dingen nicht bewanderte Leser möge vorläufig

diesen Abschnitt überschlagen und auf S. 64 fortfahren.