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wohnlichen Zustände sind durchaus als verhüllte Unmittelbarkeit,

als gebundene Ekstase, gebundene Eingebung, gebundene Schau zu

begreifen. „Gebunden“ in dem Sinne, daß sie vom Vermittelnden

überdeckt ist. Aber das Ekstatische, Unmittelbare muß immer am

Grunde sein. Daher, um ein oft gebrauchtes Beispiel zu wieder-

holen: wenn ich einem Steine etwas vorsage, kann er nichts nach-

sagen, wenn ich einem Kinde etwas vorsage, kann es mühelos nach-

sagen. Worin ist dieser Unterschied begründet? Darin, daß dem

Steine die Fähigkeit geistiger Eingebung fehlt, dem Kinde die Ein-

gebung in diesem Falle mühelos und selbstverständlich ist, infolge

der Fülle von Eingebungskraft, Verzückungskraft, unmittelbarem

Verstehen, die menschlichem Geiste eignet. — Beruhen alle gewöhn-

lichen Geisteszustände des Menschen auf geschwächter, verdeckter

Ekstase, so folgt umgekehrt, daß alle Sammlung, Versenkung, Ek-

stase, sei es welche immer, nichts anderes als die ungeheure Steige-

rung unseres gewöhnlichen Zustandes ist. Nichts Gewisseres kann

es geben und nichts, was für das Geistesleben des Menschen unent-

behrlicher ist, als: daß die Kräfte der Verzückung auch in den ge-

wöhnlichsten Zuständen des menschlichen Lebens wirken. (Das ist

sogar schon in den einfachen Sinneswahrnehmungen der Fall, wes-

halb man „rot“ einem Blinden nicht erklären kann. Das Unmittel-

bare jeder Empfindung ist ihr ekstatischer Grundgehalt)

1

. Wer das

nicht würdigt, versteht auch die Geschichte nicht, fällt immer wie-

der in Naturalismus.

Daß wir so eingehend diesen Gegenstand betrachteten, geschah

darum: weil wir in der Rückkehr vom unmittelbaren / Schauungs-

zustande oder ekstatischen Zustande zum gewöhnlichen Bewußt-

seinszustande den Weg vom inneren Seinsgrunde und Urzustande

des Menschen zur Welt vor uns haben. Wir sehen es im vollen

Lichte unseres Erlebens (denn jeder Mensch kennt einige der ge-

nannten Zustände), wie wir von unserem Schöpfungsgrunde und

Wurzelgrunde, als von einem Unmittelbaren, zum Mittelbaren zu-

1

Gewiß würde sich kein Mensch das Seelenleben anders denken, wenn er es

noch unbefangen denken könnte. Aber die mörderische Lehre von der Assozia-

tionsmechanik unseres Seelenlebens, die in Wahrheit noch in sämtlichen Rich-

tungen der Seelenwissenschaft, wenn auch nur noch verdeckt, herrscht, hat das

natürliche Verständnis seit Jahrhunderten verschüttet.