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da gerade das Vermitteln mit einem Wurfe die Aufgabe nicht er-

schöpfen kann. Wir erkennen damit abermals, was sich in einem

früheren Zusammenhange zeigte: daß Zeit nur durch Überzeit-

liches möglich ist, daß auf dem Grunde der Zeit das Zeitlose ist.

Denn vermittelt werden kann nur das Unmittelbare. Dieses ist das

Überzeitliche oder Zeitlose, jenes das Zeitliche.

Als das Vorwärtstreibende der Vermittelung ist die Zeit zugleich:

die innere Aufrechterhaltung des Vermittelungswillens, damit aber

nichts Geringeres als die Urkraft des Geisteslebens; obgleich sie auf

der anderen Seite gerade das Zeugnis des irdischen Standes, das

Zeugnis der vergänglichen Seite des Geistes ist. Von dieser Ansicht

der Zeit aus erkennen wir auch den Raum in neuem Lichte. Er

zeigt sich als die geistesferne Entsprechung der Zeit, der geistigen

Aus- und Umgliederung. Was am Geiste von den Entsprechungen

seiner Setzungen zurückbleibt, was stehen bleibt, sich abschließt,

was den Vermittelungsgang des Geistes nicht mehr fortsetzt; das

kann noch durch eine verstofflichende, plastizierende Kraft, durch

die Verräumlichung erhalten und gestaltet werden. Auch das Sich-

abschließen ist also noch Kraft, Dynamik, daher der Raum eine

zweite Urkraft neben der / Zeit. Z e i t , d i e v o r w ä r t s t r e i -

b e n d e U r k r a f t d e s G e i s t e s ; R a u m , d i e e r h a l -

t e n d e , a b s c h l i e ß e n d e U r k r a f t , das Reich der Natur.

(Darum kann sich der Geist nicht verräumlichen und kann auch

Räumliches nicht berühren, weil er nämlich von höherer Ordnung

ist

1

). — Wie das Überzeitliche der Zeit in den ekstatischen Zustän-

den hervortritt, so das Überräumliche des Raumes darin, daß er

Gliederung, Gestalt kennt, also nicht bestimmungslos fortgeht;

denn wäre er bestimmungslos, dann wäre er das Chaos, das Apeiron

(eben das Unbestimmte). Die Gestalt entreißt ihn dem Chaos

(Apeiron). Die Gestalt ist das Überräumliche, ja das Geistähnliche

des Raumes. Daher das Entzückende aller Raumgestalten. Wie

könnte anders Schönheit in geometrischen Mustern sein: in Ge-

stalten, die nicht unmittelbar Seele ausdrücken und versinnbildlichen

und doch die Seele berauschen?

1

Vgl. mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 177 ff.: Die

Lehre von der Gezweiung höherer Ordnung als der Verbindung des Geistes

nicht mit der stofflichen Natur selbst, sondern mit ihren immateriellen Wurzeln

[2. Aufl., Graz 1969, S. 165 ff.].