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Das alles klingt uns Heutigen befremdlich, weil es sich die

positivistische Naturwissenschaft seit Geschlechtern angelegen

sein ließ, den Kraftbegriff aus der Physik gänzlich auszuschalten,

als ein angeblich „anthropomorphes“ Element, das in der

strengen Darstellung der Naturvorgänge keinen Raum habe (so

namentlich Kirchhoff und Mach

1

). Das ist rein verfahrenmäßig für

die / mathematische Physik folgerichtig, würde es jedoch völlig

durchgeführt, dann ergäbe es eine ärmere, weniger naturnahe

Mechanik; einer tieferen Naturauffassung widerspricht dies aber.

Die ernsthafte Besinnung lehrt uns, daß die Kraftempfindung

eine wesenhafte, das Innere der Natur aufschließende sei. Ein

subjektives, der Natur nicht zukommendes Element liegt nur in

dem Maße und der Art der jeweiligen Anstrengung, die wir bei

der Bewegung empfinden. Daß aber im Muskel die inneren

Spannungen und Lösungen ein Gegenstand sind, der physi-

kalische Wirklichkeit im engeren Sinne des Wortes hat (also

auf „Massenbeschleunigung“ zurückführbar ist) und als s o l -

c h e r vollgültig empfunden wird, lehrt auch der Vergleich

mit anderen Empfindungen. Wie wir im Sehen und Hören Licht

und Klang empfinden, so auch im Widerstande gegen die Bewe-

gung durch den Stoff (also durch dessen Masse, Ortbehauptung,

Gestaltbehauptung usw.) jene Innerlichkeit, welche in der Stoff-

lichkeit unseres Leibes der Massenbeschleunigung, Spannung

usw. zugrunde liegt, die Kraft.

Licht, Klang und Kraft sind Innerlichkeiten der Natur.

Wir wenden uns nach diesen grundsätzlichen Erörterungen

der Licht- und Tonempfindung im besonderen zu.

II.

Raum, Licht, Sehen

Das Verhältnis der Sinnesempfindung zur Natur führt uns

wieder auf den Begriff der Verräumlichung zurück. Wird der

1

Vgl. die oben S. 100 angeführte Äußerung von Mach; dagegen Georg Ha-

mei: „Es sei... darauf hingewiesen, daß K r a f t n i c h t e i n f a c h e i n n e u e s

W o r t f ü r M a s s e n b e s c h l e u n i g u n g i s t (wie Kirchhoff glaubte).

Kraft ist etwas ganz Neues, das durch vereinte Wirkung von Anschauung, Er-

fahrung und schöpferischer Tätigkeit des Menschen aus dem Massenbeschleu-

nigungsbegriff hervorgegangen ist, aber nimmermehr mit ihm identifiziert

werden darf”. (Hamei: Elementare Mechanik, Leipzig 1912, S. 53.) — In ähn-

lichem Sinne eindringlich Friedrich Kottje: Erkenntnis und Wirklichkeit, Leip-

zig 1920, S. 110f.; ferner Aloys Wenzl: Wissenschaft und Weltanschauung, Natur

und Geist als Probleme der Metaphysik, Leipzig 1936, S. 108.