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Bescheidet sie sich als eine bloße Hilfsbetrachtung und ein Hilfs-

verfahren, das an der rechten Stelle wertvoll ist, dann läßt sich

das Wahre an ihr retten, ohne der Natur das Göttliche, ohne ihr

Licht und Leben zu rauben.

Wie läßt sich aber gegen den Widerspruch der mechanistischen

Physik der Begriff der Weltseele begründen?

Die erste Voraussetzung ist. daß nicht-mechanistische Züge in

der Natur nachgewiesen werden. Frühere Naturphilosophen ver-

suchten dies auf t e l e o l o g i s c h e m Wege (Platon, Aristo-

teles, Scholastik) und auf d i a l e k t i s c h e m Wege (Schelling,

Hegel). Wir versuchten, auf allerdings mittelbare Weise, einen

g a n z h e i t l i c h e n Weg.

Ist die Natur einmal als eine vermittelte Ganzheit erkannt,

deren mechanistisch-mengenhafte Bestimmtheit nur von abge-

leiteter Art ist und daher das Bild der Natur nicht erschöpft,

sondern die tieferen ganzheitlich-bildenden Wesenszüge nur über-

deckt, dann ist kein Hindernis mehr, ein u r t ü m l i c h s i c h

s e l b s t s e t z e n d e s W e s e n als letzte Grundlage der Na-

tur anzunehmen — den Weltgeist.

Wie aber den Weg zu ihm finden?

Der Weltgeist ist kein denkender, sich selbst vergegenständ-

lichender, sondern ein empfindender Geist.

W e n n w i r d i e V e r g e g e n s t ä n d 1 i

c h u n g , d a s D e n k e n , a u s u n s e r e m W e s e n

a u s s c h a l t e n , e r w a c h t i n u n s d i e W e l t s e e l e .

Dieser Spur haben wir nun nachzugehen.

/

I.

Sinnesempfindung und Naturinnerlichkeit

„Soweit das Ohr, soweit das Auge reicht,

Du findest nur Bekanntes, das ihm gleicht.“

(Goethe)

Goethes immerwährendes Verdienst wird es bleiben, das

sinnlich Empfundene als eine Wahrheit der Natur festgehalten

und gegen die mechanistische Naturwissenschaft, für welche die

Empfindung nur eine „subjektive Sinnesqualität“ ist, verteidigt

zu haben. Daß Goethe freilich eine Verfahrenlehre für diese

Naturbetrachtung nicht ausbildete, war ein Mangel, der ihn

zuletzt um den Erfolg brachte.