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[XII/XIII]

schlungen ist, wohnt in der bildenden Natur, aber Leben, das,

obzwar es dem Menschen verwandt ist, ihm doch auch titanisch,

finsterweltlich und fremd entgegentritt.

Die Natur lebt, aber sie ist nicht Geist. Nur eine Entsprechung

des Geistes kann sie sein. Zwischen der Natur und dem Geiste

ist eine keusche Grenze gezogen, die niemals zu überschreiten ist.

Wo dies doch geschieht, wo sie als Geist gefaßt wird, wird nicht

die gesuchte Vergeistigung der Natur erreicht, vielmehr ist die

Naturalisierung des Geistes die unvermeidliche Folge.

Hieraus ist die Folgerung für die Schicksalsfrage jeder

geistigen Naturansicht zu ziehen, für die F r a g e n a c h d e m

V e r f a h r e n . Wie Natur nicht eigentlich Geist ist, so ist in

Wahrheit auch die Übertragung der Verfahren der Geisteswis-

senschaften auf die Naturwissenschaften nicht ohne weiteres

möglich. Umgekehrt wird gerade aus dieser Unmöglichkeit der

unbestreitbare praktische Erfolg der atomistischen und mathe-

matischen Physik verständlich. Es muß etwas sein in der Natur,

was ihrer Darstellung als eines größenmäßig bestimmten Mecha-

nismus entgegenkommt, etwas, was solche Darstellung, w e n n

s i e a u c h d i e l e t z t e W e s e n s a u f f a s s u n g d e r

N a t u r v e r f ä 1 s c h t, als Unterstellung doch ermöglicht und

ihr praktische Fruchtbarkeit verleiht.

Was ist dieses Etwas? Das wollen die folgenden Blätter

zeigen und damit auch die Verfahrenfrage, ohne deren Lösung

nichts Dauerndes erreicht werden kann, klären.

In den Geisteswissenschaften haben wir selbst uns ein eigenes

Werkzeug, eine eigene Kategorienlehre gebildet, indem wir das

ganzheitliche Verfahren schufen und erprobten. Aber in den /

Naturwissenschaften sind die ganzheitlichen Kategorien nur u m-

g e b i l d e t anwendbar, sollen sie dem wahren Wesen der Na-

tur gerecht werden.

Die Natur in ihrer Ganzheit zu ergreifen, ihr Mysterium

niemals zu verleugnen und sie doch in ihren einzelnen Er-

scheinungen zu erforschen, kann und darf kein Widerspruch

sein. Diese Forderung ist es, der wir Genüge leisten müssen —

durch eine ganzheitliche W e s e n s a u f f a s s u n g der Natur

nicht nur, sondern auch durch ein strenges, wohlausgebildetes

ganzheitliches V e r f a h r e n .