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Einleitung

Die neuzeitliche Naturwissenschaft, wie sie durch Galilei und

Newton begründet wurde, nahm trotz hartnäckiger Widerstände

eine aufsteigende Entwicklung, aus dem unabweislichen Grunde,

weil sie der Menschheit etwas zu sagen hatte.

Aber dennoch! Niemand, der die tieferen Kräfte der Ge-

schichte zu deuten weiß, wird sich davor verschließen können,

daß die Entwicklung der mathematischen Naturwissenschaften

zugleich einen schweren Kulturschaden der letzten Jahrhunderte

darstellte. Allerdings nicht, soferne sie die äußere Kenntnis und

die praktische Nutzung der stofflichen Welt so ungeheuer be-

reicherte; wohl aber, soferne sie die Natur als einen Inbegriff

blinder, mathematischer Notwendigkeiten auffaßte und soferne

sie das menschliche Leibesleben, ja zuletzt auch das menschliche

Geistesleben diesen seelenlosen, chemisch-physikalischen Natur-

notwendigkeiten verhaftete.

Materialismus, Empirismus, Positivismus, Sensualismus heißt

diese Grundeinstellung. Sie hat noch viele andere Namen —

Entseelung und Entgötterung der Natur, Naturalisierung des

Geistes, das ist ihr Werk.

Während noch das christliche Mittelalter die Natur beseelt

und von höheren Wesen durchwaltet wußte, hat die neuere Na-

turwissenschaft den Zusammenhang des Menschen mit der le-

bendigen Natur gelöst. Dafür hat sie den Menschen in eine

verödete Natur hineinversenkt, die selbst ohne Licht, ohne Klang,

ohne Wärme ist, nicht hört, sieht, noch fühlt, sondern nur Be-

wegungen und Veränderungen kleinster Teilchen kennt oder doch

nur nach Maß und Zahl bestimmt ist. Keine Weltseele, nur eine

Weltmaschine kennt die neuzeitliche Physik.

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Diese Vernichtung alles Höheren in seinen äußeren Daseins-

bedingungen hat den neuzeitlichen und am meisten den deutschen

Menschen im innersten Marke angegriffen, so sehr, daß er heute

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