Previous Page  289 / 473 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 289 / 473 Next Page
Page Background

[261/262]

289

w e r d e n “

1

, sowie aus dem Begriff der Religion als Bewußtwer-

den unserer Rückverbundenheit.

Am deutlichsten erklärt es wohl Meister Eckeharts nicht genug

zu beherzigendes, von uns schon so oft angeführtes Wort: „Gott

wird d u r c h G o t t erkannt in der Seele.“ Hierin liegt Offen-

b a r u n g sowohl wie Unmittelbares.

Denn das Unmittelbare, das Innewerden Gottes ist selbst und

stets schon eine Offenbarung seiner selbst (im weiteren Sinn). Es

erfolgt nicht von außen und ist keinem anderen Innewerden, keiner

anderen Erfahrung zu vergleichen. Jede gewöhnliche Erkenntnis

nämlich, sei es eine sinnliche, z. B. eines Baumes, sei es eine geistige,

z. B. einer Dichtung, ist eine besondere, konkrete und hat den er-

kannten Gegenstand zum Inhalt. Nicht so das Innewerden Gottes in

der Seele. Gott kann nicht als konkretes Gegenständliches, konkre-

tes Etwas wahrgenommen werden. Er durchdringt die Seele in ihrem

Grund und läßt, wie Meister Eckehart sagt, die einzelnen Kräfte

der Seele, welche allein B e s o n d e r e s wahrzunehmen vermögen,

hinter sich. Dem kann gar nicht anders sein, denn das Rückverbin-

dende (Gott) liegt ja auf einer höheren Seinsebene als das Rückver-

bundene (der Mensch), ist also darum kein Konkretum. Es kann

nur als Überseiendes und Überkategoriales den Grund des Geistes

durchdringen. Eben daher kommt ja jene Gottinnigkeit, die allem

Glauben das Gepräge gibt und ihn zu einem Arteigenen gegenüber

den anderen seelischen Inhalten macht.

Die mystische Erfahrung wird darum auch mit Recht als „Selbst-

schau“ Gottes im Menschen bezeichnet, insofern sich in ihr die Seele

mit Gott vereinigt findet. Daß Gott sich in dieser Einung auch selbst

erkenne, ist ein ewiges mystisches Symbol (ein Gedanke, den z. B.

bei Hegel nur jene verspotteten, die ihn nicht in seiner wahren Be-

deutung verstanden). Freilich ist an diese Erkenntnis, die nicht von

gewöhnlicher, sondern von höherer Art ist, Gottes Wesen nicht ge-

bunden.

/

Wenn es nun wahr ist, daß zuletzt Gott d u r c h G o t t er-

kannt werde in der Seele, dann ist auch nichts gewisser als die Wirk-

samkeit Gottes in jeder echten esoterischen Erfahrung — seine

Offenbarung in ihr!

1

Vgl. mein Buch: Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 44 ff. und öfter.

[2. Aufl., Graz 1969, S. 47 ff.].

19 Spann, Religionsphilosophie