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Die h o h e W ü r d e d e s M e n s c h e n , welche alle höheren /

Religionen aussprechen, hat hier, in der inneren Erfahrung der

Gottverwandtschaft des Menschen, ihren unversieglichen Ursprung.

Auch die Kunst lehrt überall diese hohe Würde. „Je mehr du fühlst

ein Mensch zu sein — desto ähnlicher bist du den Göttern“, sagte

Johann Wolfgang von Goethe.

Als eine besondere Form dieser Erfahrung ist das Bewußtsein

der S e l i g k e i t des göttlichen Seins und damit auch des innersten

Kernes des menschlichen Seins sowie seiner Zukunft zu betrachten.

Zurück bleibt als ihr dauerndes Ergebnis jener i n n e r e F r i e d e ,

welcher das religiöse Gemüt bei allen Völkern, zu allen Zeiten

kennzeichnet. — Und endlich kann die V e r g o t t u n g als mysti-

sches Ziel des Lebens daraus folgen.

Alles dieses mag hier noch befremdlich klingen, soll aber später umfassend

belegt und aus Zeugnissen großer Mystiker über das Innewerden Gottes nach

allen Seiten hin klargemacht und begründet werden

1

.

II.

Die Unsterblichkeit

In der Einheit des Menschen mit Gott liegt die Überzeugung

seiner Fortdauer unmittelbar enthalten. Daher sehen wir denn auch

keine alte Religion ohne Ahnen- und Totenverehrung, in welchen

zugleich das klarste Zeugnis des Unsterblichkeitsglaubens, und zwar

ausnahmslos aller alten Völker liegt.

Die Unsterblichkeitsüberzeugung, so behaupten wir, hat keinen

sinnlichen, mittelbaren Ursprung, wie etwa die Träume über Ver-

storbene, sondern wurzelt unmittelbar in der mystischen Erfahrung

(wobei wir von wirklicher oder vermeintlicher Spukerfahrung ganz

absehen wollen); vielmehr liegt in der erlebten Göttlichkeit der

Seele bereits, wie berührt, das Bewußtsein von der Unzerstörbarkeit

des menschlichen Wesens. Der erlebte Zustand mystischer Einigung

gilt überall als die V o r w e g n a h m e des Zustandes nach dem

Tod; daher auch der schon berührte Begriff der S e l i g k e i t dieses

künftigen Zustandes. Schon in den altindischen Upanischaden wird

das göttliche Sein, welches der Mystiker erfährt, als „Wonne und

Denken“ erläutert

2

.

1

Siehe unten S. 67 ff. und 86 ff.

2

Ober Abweichungen hiervon siehe unten S. 94 ff.