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Daß äußere Zerstörung und Verschmutzung zugleich mit einer in-

neren des Menschen einhergeht, hat sich weithin herumgesprochen.

Die Geister, die er rief, bedrohen ihn an der bevorstehenden Jahr-

tausendwende nicht nur durch äußere Weltzerstörung. Sie machen ihn

zum manipulierbaren Wesen, zu einem sozialen Atom und stoßen ihn

gerade dadurch in jene ausweglose Einsamkeit, in der er sich aus allen

Zusammenhängen entlassen, aller Gemeinschaft entblößt fühlen muß.

Was verliert er, wenn er sich solcherweise selbst entfremdet? „Ent-

fremdung ist Ganzheitsminderung“, sagt dazu Herbert Kremp

5

, was

zugleich freilich auch erfordert, die wünschenswerte Geborgenheit

des Einzelnen im Ganzen näher zu definieren. Othmar Spann hat sich

dieser Herausforderung bereits zur Zeit des Ersten Weltkrieges ge-

stellt und sich im Gefolge des krassen Individualismus der Gründerzeit

bewußt der Grundlegung einer neuen Gemeinschaftslehre zuge-

wandt

6

.

Die auch zeitgeschichtlich bedingte innere Anteilnahme, mit der

er sein System entwickelte („Wirtschaft und Gesellschaft“, 1907;

„Gesellschaftslehre“, 1914;,,Vom Wesen des Volkstums“, 1920; „Der

wahre Staat“, 1921), erklärt sich aus der doppelten geistigen Ausein-

andersetzung, die er sowohl mit den individualistischen wie auch

marxistisch-kollektivistischen Grundtendenzen in jenen Jahren führte.

Die Feststellung Herbert Kremps in seiner neueren Zeit-Kritik (1973)

galt für Spann an sich schon damals: „Der Individualismus ist kein

Gegenhalt zum Kollektivismus, sondern infolge seiner atomisierenden

Wirkung geradezu die Voraussetzung für das Überschwappen in den

ökonomischen Kollektivismus“

7

.

Die Alternative, ein organisch-ganzheitliches Gesellschaftsbild, das

Spann entwarf, läßt nun den Einzelnen nicht in einem kollektivisti-

schen Massengefüge aufgehen, sondern stellt ihn als eigenständiges

Glied in den Zusammenhang des gesellschaftlichen Ganzen. Das kon-

stituierende Verhältnis zwischen beiden, dem Glied und dem Ganzen,

heißt „Gezweiung“ als Grundkategorie zugleich der Gesellschaft. Auf

5

Herbert Kremp: Am Ufer des Rubikon, Stuttgart 1973, S. 18.

6

„Dem Lehrer der Gemeinschaft“ steht aufseinem Grabstein im Werk-Friedhof zu Schlei-

ning (Burgenland).

7

Herbert Kremp: Am Ufer des Rubikon, Stuttgart 1973, S. 136 ff.