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reichend erkannt. Hierüber gibt es in der Ästhetik ein schier unüber-
sehbares Schrifttum. Die Ergebnisse, soweit überhaupt solche erzielt
werden konnten, sind verwaschen. Die entscheidende Tat von Spanns
Kunstphilosophie ist, hier der Eingebung sowohl bezüglich des
Denkens als auch des Gestaltens den zentralen und systematischen
Ort gegeben zu haben. Sie ist zusammen mit ihrer Annahme und
Verarbeitung, das ist Gestaltung, die Wurzel allen Schaffens; eine
zweite Schöpfung.
Wenn die drei Quellen des Schönen die Eingebung, die Gestaltung
und die Rückverbundenheit sind, so kommt doch der letzteren eine
führende Bedeutung zu, was oft verkannt wird. Das Ausgegliederte
verharrt im Grund, ist also rückverbunden. Es ist zugleich ein In-sich-
Bleiben und ein Außer-sich-Sein (Bd 9 , 2 1 3 ff.). Von hier aus ragt es
in den geistigen Urgrund, die Wurzel allen Seins. Hier ist das Schicksal
verankert. Das Rückverbindende tritt zwar nicht ausdrücklich hervor
und wirkt gleichsam im Verborgenen, der Begriff der Rückverbunden-
heit darf aber nicht als etwas Nachträgliches verstanden werden. Viel-
mehr ist er es, der die ausgegliederte Existenz erst möglich macht.
Auch auf die Kunst angewendet ist die Rückverbundenheit die
Bergung des Werkes in seinem Ursprung. Deswegen hat sie den Vor-
rang vor der Ausgliederung. Sie begründet die erhabene Ruhe am
Grunde des Werkes. Auch noch in dem Titanenhaften ist diese über-
legene Ruhe erkennbar. In seiner Schrift,,Mozarts Größe“ (in: „Kämp-
fende Wissenschaft“, Bd 7, 335 ff.) hat Spann die tiefe Heiterkeit
dieser Musik eingehend nachempfunden. Die höchste Kunst ist ihm —
welch ein Optimismus! — aus innerer Ruhe und Gelassenheit geborene
Freudigkeit. Man denke jedoch an Beethoven, der kaum zu lachen
vermochte, dem es aber gelingt, den Hintergrund der Trauer zu
meistern, so vor allem in der 9. Symphonie mit ihrem gewaltigen
Finale; etwas Vergleichbares liegt am Ende von Faust II vor. Aber
ob die Trauer bei Beethoven nicht doch oft den tieferen metaphy-
sischen Grund hat, bleibt unbeantwortet. Die Überzeitlichkeit des
Überweltlichen wird nicht nur in der Musik — hingeordnet zu im-
materiellen Wurzeln der Natur — und den zeitlosen Hintergründen
des Materiellen und Zeitlichen erkennbar; in diesen Bereichen aber
sind Trauer und Freudigkeit noch ungeschieden, beide ragen dann in
das Kunstwerk hinein.