285
hält sich dieser zum Sein? Der Geist ist nicht tot, sondern tätig und
schaffend. Auch er gehört zum Sein. Mehr noch: Er ist das eigent-
liche Sein! „Denken und Sein ist ein und dasselbe.“ Dieser provokante
Satz des Parmenides, der an der Lebensschwelle der abendländischen
Philosophie steht, ist zugleich der erste Grund-Satz der Ontologie.
Und er ist zugleich ein Grund-Satz der Erkenntnislehre. Das geistige
Sein als das Tätige und Schaffende ist das eigentliche Sein; das
natürliche Sein, sofern es ein bloß ruhendes, ein sich immer gleiches,
ein sich nicht „selbstsetzendes“ Sein ist, ist gleichsam nur das „Anders-
sein“ des Seins. Aber ist es wirklich nur ein ruhendes, ein unbeweg-
liches Sein? Mitnichten! Darüber wurde unsere Zeit durch die Atom-
physik belehrt. Inwiefern auch die anorganische Natur eine nichttote,
ja eine nichtmechanisch ablaufende, eine „lebendige“ ist, lehrt die
ganzheitliche Naturphilosophie und zeigt die moderne Physik. Dar-
über ist hier weiter nicht zu sprechen. Entscheidend aber ist auch für
die Geisteslehre, daß nicht eine „tote“ Natur, sondern zuletzt der
tätige Geist der ganzen Schöpfung als dem Ebenbilde ihres Schöpfers
seinen Stempel aufdrückt.
Darum erhält auch die ganzheitliche O n t o l o g i e v o n d e r
G e i s t e s l e h r e h e r i h r G e p r ä g e . Sie ist ihrem Wesen nach
nicht so sehr ein Kapitel der Naturphilosophie, sondern die Grund-
lage für die Pneumatologie und in der Folge erst eine solche für die
Naturphilosophie. Das eigentliche Wesen des geschöpflichen Seins
kommt vom Geiste her, vom Geiste seines Schöpfers, und erst das
„uneigentliche“ Sein erscheint sodann in der Natur!
Die Seinslehre (Ontologie) steht systematisch am Anfang aller
Philosophie, sie findet ihre Erklärung aber aus dem Wesen des Geistes.
Sie ist daher, wie dies auch im „Schöpfungsgang des Geistes“ dar-
gelegt ist, noch vor der Geisteslehre, der sodann die Naturphilo-
sophie (Bd 15) nachfolgt. Sie ist aber erst von der Geisteslehre aus
zu verstehen, weil der Geist die Weltordnung und das Wissen vom
Sein in sich trägt. Die Kategorienlehre (Bd 9) hat als die Lehre von
den Weisen des Seins die ganzheitliche Seinsordnung aufgezeigt und
impliziert insofern auch die Ontologie. Dargelegt aber hat diese
Spann im „Schöpfungsgang des Geistes“. Sie soll darum auch hier im
Zusammenhang mit der Geisteslehre kurz behandelt werden. Denn
Sein und Denken sind zwar nicht in jeder Weise zur Deckung zu brin-