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Die Aufgabe der Durchgestaltung einer Kunstphilosophie ist vor

mannigfaltige Schwierigkeiten gestellt: das Hereinwirken der Über-

welt in die Werke, die Vielfalt der Kunstarten und Kunststile, die

Entfaltung in der Kunstgeschichte, die Fülle der Hochkulturen,

aber auch der aussagekräftigen sogenannten Primitivkulturen, das

Verhältnis von Kunst und Macht

9

, die Tatsache, daß Kunst im Gegen-

satz zu Wissenschaft die Seele unmittelbar anspricht usw. Der Kunst-

verfall hat, abgesehen von Eingebungs-, Gestaltungs- und Rückver-

bundenheitsschwächen, den entscheidenden allgemeinen Grund im

Verlust des Unsterblichkeitsglaubens. Dies gilt vor allem für weite

Gebiete der modernen Kunst. Wo wäre es in einem derart techno-

logischen und technokratischen Zeitalter auch möglich, daß ein

religiöser Bau das Abbild des Himmels darstellte, daß, wie in der

gotischen Halle, Licht, Mystik und Platonismus offenbar würden

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?

Es muß daher die Aufgabe der Gegenwart und Zukunft sein, zu den

metaphysischen Grundlagen allen Lebens zurückzukehren. Das Ab-

gleiten von den hohen Kunstwerken erweist sich bei der Betrachtung

der gesamten Kunstgeschichte der letzten Jahrhunderte eindeutig.

Die Folge hievon ist das Umsichgreifen von Surrogatlösungen in allen

Kunstbereichen. In der Dichtung der Gegenwart artet die Lyrik zum

Gestammel, das Schauspiel zur Groteske, die Erzählkunst zur Sensa-

tionsmache einerseits und zur tötenden Monotonie andererseits aus,

die Skulptur wird schlechthin unverständlich, die Malerei ergeht sich

in Experimenten, die Baukunst wird zur Magd der Materialien, von

Beton, Eisen und Glas. Die Musik verstrickt sich in der Zwölfton-

konstruktion und in Atonalität. Ein dem Wesen der Kunst fremder

Intellektualismus, purer Konstruktivismus, Mangel an Unmittelbar-

keit, Berechnung und bloßes Geltungsstreben machen sich breit. Nur

wenige Zeilen widmet Spann den Aufgaben der Gegenwart und ver-

weist dabei mit Recht auf die Schwierigkeit einer Neugestaltung der

Kunst, da bei den geistigen Voraussetzungen begonnen werden müsse.

Doch auch in den Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sind bedeutende,

im Metaphysischen wurzelnde Werke vollbracht worden

11

. Um nur

9

Josef Strzygowski: Die Krisis der Geisteswissenschaften, Wien 1923, S. 242 f.

10

Hans Sedlmayr: Die Entstehung der Kathedrale, Graz 1976, S. 314 ff.

11

Hans Sedlmayr: Die Revolution der modernen Kunst, Hamburg 1955, S. 89.