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[140/141]

In demselben Maße, wie jedes Mitglied der Gemeinschaften als geistige

Individualität in ganz verschiedenem Grade und unaufhörlich wechselnd

gebend und nehmend, sich lassend und empfangend, Beurteiler und

Beurteilter ist, genauso sind es in ganz verschiedenem Grade und

unaufhörlich wechselnd Mitte (Zentrum) und Umkreis.

In der wesenhaften Ungleichheit und Schichtung, welche die

Gemeinschaft ihrem Baugesetze nach verlangt, liegt allerdings ein

gewisser Zug der Ausgleichung. Die strahlende Mitte will die andern

ebenso strahlend machen wie sie selbst ist; was sie als Vorbild ist, soll

ebenso kräftig als Nachbild erstehen. Damit wirkt sie

a u s g l e i c h e n d . Aber dieser Vorgang, in dem das geschieht, was wir

B i l d u n g nennen, hat seine engen Grenzen; denn auch das beste

Nachbild beruht nur auf der inneren Hervorbringungskraft des Vorbildes

und ist daher schwach im Vergleich zu jenem.

Wir gewinnen aus dem vorigen folgende S ä t z e ü b e r d i e G e z w e i u n g . Vom

Gliede aus gilt:

(1)

Kein Glied gliedert sich a l l e i n in seine Mitte ein; stets sind es mehrere Glieder,

die sich in ein und dieselbe Mitte eingliedern.

(2)

Kein Glied gliedert sich nur in e i n e Mitte ein (stets auch in andere Mitten —

V i e l m i t t i g k e i t ) .

Von der Mitte aus gilt entsprechend:

(3)

Keine Mitte gliedert nur ein Glied aus (stets zusammen mit anderen —

M i t a u s g

1

i e d e r u n g).

/

(4)

Keine Mitte gliedert allein ihre Glieder aus (stets zusammen mit anderen Mitten).

Vom Ganzen aus gilt:

(5)

K e i n e G a n z h e i t s c h a f f t a l l e i n (stets zusammen mit anderen

Schwesterganzheiten; weil auch nichts n u r Mitte ist). D e n n n u r w a s a l l e i n

M i t t e w ä r e , k ö n n t e a u c h a l l e i n s c h a f f e n : G o t t .

Endlich folgt aus dem Früheren:

(6)

Die Glieder der Ganzheit entstehen nicht ein für allemal, sondern unaufhörlich

durch unaufhörliches neues gegenseitiges Werden der Glieder in der Gezweiung

(„Rücknahme“ und „Ausgliederung“)

1

.

Z u s a t z ü b e r d e n S o z i a l i s m u s

Hieraus ergibt sich die O b e r f l ä c h l i c h k e i t

d e s

S o z i a l i s m u s , wie aller jener Gesellschaftsideale, die durch

ausgleichende Erziehung und ausgleichende Wirtschaftslage die Glieder

der menschlichen Gesellschaft gleichmachen wollen.

1

Vgl. dazu mein Buch: Kategorienlehre, Jena 1924, S. 193 ff., 265 ff. und öfter [2. Aufl.,

Jena 1939, S. 204 ff., 277 ff. und öfter] ( = Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme, Bd

1).