Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1568 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1568 / 9133 Next Page
Page Background

170

[136/137]

wie wir es am Individualismus seit der Renaissance, am Sozialismus seit

Marx erlebt haben, minderte die geistige Substanz der Gesellschaft, indem

sie echte Gemeinschaftlichkeit vernichtet. Ähnlich wie die Operation,

welche das gesunde Organ verletzt, oder wie der Krieg, welcher die

Grundlage des Gemeinwesens angreift.

/

5. Z u s a m m e n f a s s e n d e B e t r a c h t u n g ü b e r d i e

S c h ö p f u n g d e r G l i e d e r i n d e r G e z w e i u n g

Dasein und Wirklichkeit des Einzelnen, von ihm selbst aus gesehen,

bestimmten wir als „Selbstsein durch Sein im Andern“. Das Sein des

Einzelnen war somit ein g e g e n s e i t i g e s Sich- Erschaffen (dessen

Teile: Geben—Nehmen—Gegnerschaft wir oben bestimmten).

Dieses „gegenseitig" schließt aber nichts Geringeres in sich, als daß

j e d e r d e r b e i d e n n i c h t d e m A n d e r n a l s e i n e m

E i n z e l n e n , s o n d e r n s c h o n a l s e i n e m G l i e d e d e r

G e m e i n s c h a f t g e g e n ü b e r s t e h t ; denn als Einzelner wäre der

Andere ebenso wenig wie der Eine.

„Sein im Andern“ heißt daher: Sein im Andern, sofern er schon Glied

ist = Sein beider in einem U b e r i n d i v i d u e l l e n , einem

Gegenständlichen, das beide als einzelne Glieder in sich befaßt. Dieses

Überindividuelle, Gegenständliche, Befassende ist die Gemeinschaft selbst,

und zwar die Gemeinschaft als die Ganzheit betrachtet, die in ihr gegeben

ist.

Daraus folgt der allgemeine Satz: daß die M e n s c h e n g e i s t i g

i m s t r e n g s t e n S i n n e d e s W o r t e s m i t e i n a n d e r

n i c h t a l s m i t E i n z e l n e n v e r k e h r e n , s o n d e r n

n o t w e n d i g n u r a l s m i t G l i e d e r n i h r e r G a n z h e i t ;

das heißt a b e r w e i t e r : n u r m i t t e l b a r m i t e i n a n d e r ,

n u r d u r c h d i e G a n z h e i t h i n d u r c h . (Kategorie der

Unberührbarkeit der Teilganzen und Glieder

1

.) So überraschend dieser

Satz klingen mag, die Erfahrung bewährt ihn doch aufs deutlichste, wenn

wir sie nur recht befragen. Überall sehen wir, wie die Menschen im

Rahmen ihrer Ganzheiten leisten, ver-

1

Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, Jena 1924, S. 268 ff. [2. Aufl., Jena 1939, S. 282 ff.] (=

Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme, Bd 1).