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einen Spieler allein. So steht dem Helden ein Schwächling, dem

Guten ein Böser, dem Verführer ein Verführter, dem Ränkespinner

ein Harmloser, dem Asketen ein Begehrlicher, dem Heiligen die

Welt, dem Liebling des Glückes ein Unglücklicher, dem hingehen-

den Menschenfreunde (wie Simon von Athen) die Schar der Eigen-

süchtigen gegenüber. — Überall lehrt uns das Beispiel des Dramas:

daß die g e i s t i g e n I n h a l t e d e r G e m e i n s c h a f t e n

n i c h t s C h a o t i s c h e s , s o n d e r n — w e n n a u c h

d u r c h G e g e n s ä t z e h i n d u r c h a u f e i n a n d e r h i n -

w e i s e n d e — G l i e d e r e i n e r G a n z h e i t s i n d , eines

geistigen Kosmos; sie haben ihre innerlich festgelegten Widersprü-

che und Verwandtschaften, sie stehen daher zueinander grundsätz-

lich in einer g l i e d h a f t e n Beziehung, und sie gewinnen durch

diese gliedhafte Gegensätzlichkeit sogar erst ihre ganze Wirklich-

keit, ihre ganze Leibhaftigkeit und Wahrheit, die sonst schal und

eintönig, ja unwirklich schiene. Wenn nur Grau in der Welt wäre,

gäbe es keine Farbe (als eine sichtbare), wenn nur lautere Heilig-

keit, keine Religiosität (als eine wißbare). A l l e s W i r k l i c h e

b r a u c h t z u m V o l l - D a s e i n e i n e n G e g e n s a t z —

einen Gegensatz aber nicht wie positiv und negativ (+ und —), son-

dern einen ergänzenden, aus organischer, aus g l i e d h a f t e r

U n t e r s c h i e d l i c h k e i t

u n d

A b s t u f u n g hervorge-

hend, gleichwie blau und gelb, schauend und wirkend, männlich und

weiblich sich aneinander vollenden. — Wir verstehen also den

„Gegensatz“ weder als einen / a b s o l u t e n noch als einen

d i a l e k t i s c h e n im Hegelischen Sinne, sondern als organische

Ergänzung.

Betrachten wir noch einige andere Beispiele genauer. In der Welt des S i t t -

l i c h e n zeigt es sich klar, daß alle guten und schlechten Triebe, Neigungen,

Gewohnheiten, Gefühle, Gedanken und Grundsätze, die überhaupt im Menschen

anzutreffen sind, die Welt „des Sittlichen“ (positiv wie negativ verstanden) aus-

machen. Jedes Element, welcher Art immer, ist daher ein Element des „sittlichen

Kosmos“, ein Glied desselben, wenn auch zum Teil mit negativem Vorzeichen.

Darum steht der Verbrecher an einer ganz bestimmten Stelle im Gesamtbau

des Sittlichen, nämlich im Gegensatz zum Rechtschaffenen, ebenso der Lügner,

nämlich im Gegensatz zum Wahrhaftigen. Ein anderes Beispiel: Überall in der

logisch-theoretischen E r k e n n t n i s , sei es die Mathematik, sei es die Erkennt-

nistheorie, sei es selbst die Mineralogie, die Physik, sind jeweils a l l e vor-

handenen Lehrstücke und Lehrbegriffe die Elemente jener Gedankengebäude,

welche das „System der Erkenntnistheorie“, das „System der Mineralogie“ aus-

machen. Und die verschiedenen, einander bekämpfenden Lehrgebäude und Lehr-