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Dieser Herrschaftsbegriff ist nicht überschwenglich. Im Gegenteil,

nur innerlich gegründete Herrschaftsverhältnisse geben der Ge-

schichte ihr Gepräge. In kriegerischen Zeiten ist es der Held, der

weithin herrscht und das Leben bestimmt. In frommen Zeiten

herrschen, so kann man sagen, die Heiligen. Die Heiligen waren in

gewissem Sinne die Regenten der Christenheit. Die anderen Men-

schen konnten nicht heilig werden; aber sie erkennen die Geltung

jener höchsten religiösen Gezweiung an und ordnen ihre eigenen

Gezweiungen (wenig- / stens bedingt) jener unter. Die Kreuzzüge,

durch den heiligen Bernhard von Clairveaux eingeleitet, ja der

ganze Bestand der katholischen Kirche mit ihrer ungeheuren Macht-

ausübung, die imstande war, ohne eigene Kriegsmacht die mächtig-

sten Kaiser der Welt zu besiegen, gründen sich auf solche Gültigkeit,

auf die zugrunde liegende geistige Führung und Nachfolge.

Die Gültigkeit geistiger Werte, so lehrt die Geschichte — das ist

die geistige Bindung, die nicht durch Feuer und Schwert noch durch

sonstige Gewalt ersetzt werden kann. A l l e d a u e r n d e H e r r -

s c h a f t u n d a l l e d a d u r c h e r r e i c h t e O r d n u n g d e r

G e s e l l s c h a f t i s t i n n e r e H e r r s c h a f t . Jede andere

Herrschaft, jede äußere Gewaltherrschaft besteht auf die Dauer nur,

soferne sie von jener inneren Herrschaft borgt. Gegen den herr-

schenden Geist der Zeit, des Standes, der Kirche, der Kunst kann sie

auf die Dauer nicht regieren. Und umgekehrt gilt: Eine Gesellschaft,

in der nicht grundlegende geistige Werte gelten, wäre durch nichts

zusammenzuhalten. Man mag in schlimmen Zeiten noch so sehr

klagen, Treue und Glauben wären dahin, die Bande der Ordnung

zerrissen — ganz wahr kann das niemals sein, denn dann wäre Ge-

sellschaft nicht mehr!

Am eindringlichsten hat diesen Gedanken die chinesische Gesellschaftslehre und

Staatsmaxime verkündet: „Wer kraft seines Wesens herrscht, gleicht dem Nord-

stern — der verweilt an einem Orte, und alle Sterne umkreisen ihn.“

1

Auch

Platon und der neueren deutschen Philosophie ist der Begriff der inneren Herr-

schaft nicht fremd

2

.

Gültigkeit, innere Herrschaft, Autorität, autoritative Bindung —

das sind im letzten Grunde gleichbedeutende Begriffe; und ihnen

steht die äußere oder mechanische Gewaltherrschaft entweder zer-

störend gegenüber oder nachhelfend, ergänzend zur Seite.

1

Vgl. oben S. 269.

2

Über Platon vgl. noch unten S. 295 f. den Zusatz.

19*