Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1693 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1693 / 9133 Next Page
Page Background

[243/244]

295

auf bestimmte gültige Wertungen, geistige Rangordnungen grün-

den.

Eine neukantische Strömung wird geneigt sein zu sagen, daß die Begriffe der

inneren Herrschaft (Geltung) und der äußeren Herrschaft (psychologisch wirk-

lich gewordenes Wollen und Handeln mit Machtmitteln), daß „ideale“ Geltung

und „psychologische“ Wirklichkeit im vorstehenden nicht klar genug in Verhält-

nis gesetzt seien. Das wirkliche Wollen und Handeln, die wirkliche Machtanwen-

dung sei eine nur psychologisch (psychologistisch) zu fassende Erscheinung, die

Geltung allein entziehe sich dem Psychologismus.

Dem möchte ich entgegenhalten, daß hier ein zu weit gehender Formalismus

vorliegt. So wichtig es ist, die Gesellschaftswissenschaft als eine solche von anderer

Struktur wie die Naturwissenschaft zu erkennen — vor allem darin, daß sie keine

ursächlichen Gesetze kennen kann — und so sehr darum das Apriorische, das

kraft seiner selbst Verbindliche und in einem Gültigkeitsverhältnis zu anderen

geistigen Elementen Stehende (wie z. B. das Logische) als solches von dem Ur-

sächlichen und rein Vorgänglichen zu trennen ist, so darf dies doch nicht zur

W i r k l i c h k e i t s s c h e i d u n g werden.

Der Schlüssel für diese schwierige methodologische Lage liegt meines Erach-

tens in / nichts anderem als darin, daß das Verhältnis zwischen Sein und Sollen

von jener Schule nicht vollkommen erfaßt wird. Das S o l l e n s c h w e b t

n i c h t a l s e i n U n w i r k l i c h e s ü b e r d e m W i r k l i c h e n (das wieder

angeblich kein Sollen, sondern nur ursächlich verknüpfte Tatsächlichkeit kennt) in

der Luft; sondern das Wirkliche ist nur als ein Gesolltes, ein Gestaltetes nach dem

uralten Satze des Aristoteles: „Das Vollkommene ist früher als das Unvollkom-

mene.“

1

A . Z u s a t z ü b e r P l a t o n

Vom Standpunkte der obigen Erörterung aus ist es wichtig, sich die Artung

und Rolle der Herrschergewalt im platonischen Staate klarzumachen. Platons

Staat hält in diesem Punkte die Probe. Er ist so aufgebaut, daß die autoritative

Geltung allein die Gesellschaft ordnet und zusammenhält. „Wer kraft seines

Wesens herrscht, gleicht dem Nordstern“ — dieses Wort des chinesischen Weisen

gilt vom platonischen Staate. Die Weisen herrschen hier kraft ihres Wertes, die

Krieger folgen ihnen und auch der dritte, der wirtschaftliche Stand. Alles, was

in diesem Staate geschieht, kann zwar der Unterstützung der Gewalt (durch die

Kriegerkaste) teilhaftig werden; aber dann tritt auch diese Gewalt nur auf kraft

der inneren Herrschaft jenes Geistigen, das als Vorsteher dieses Staates eingesetzt

ist. Im platonischen Staate herrscht Geistiges kraft der seinem Gehalte selbst

innewohnenden Verbindlichkeit.

B . Z u s a t z ü b e r d e n S o z i a l i s m u s

Hier soll nicht von der wirtschaftlichen Theorie des Sozialismus gesprochen

werden, sondern allein von seinem Grundgedanken, der vollständigen Durchver-

1

Näheres darüber siehe unten in der Verfahrenlehre, S. 678 ff.