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liegt, zu werten und zu handeln! Im schauenden, miterlebenden

Denken liegt überall dort, wo es sich nicht um ein mechanisches

totes Geschehen handelt, das sinnvolle Aufschließen des Wesens, liegt

das Innewerden des Wesensgehaltes — des Wertes. In ihm ist Wis-

sen wirklich Leben geworden, und damit hat Wissenschaft den Cha-

rakter eines Sittlichen erhalten.

Mit dem erlebnismäßigen Hintergrunde des intuitiven Denkens

trifft zusammen die von den Neukantianern wie Empiristen gleich

sehr verkannte Natur der Begriffsbildung: Der Begriff stellt das

reine Wesen, das Ungestörte, das Vollkommene der Dinge fest.

Die V o 11 k o m m e n h e i t s f e s t s t e 11 u n g ist a b e r

s c h o n e i n e W e r t u n g — jedoch keineswegs eine subjektive

Stellungnahme, keine subjektive Wertung, sondern eine solche, die

das Soll der Dinge aus ihren eigenen Wesenerfordernissen ableitet.

Der oben hervorgehobene Unterschied von (äußerer) Kenntnis

und (innerer, gestaltender) Bildung tritt nun in seiner entschei-

denden Bedeutung abermals hervor. Nur das innerlich gewordene

Wissen ist Bildung, gestaltet unser Wesen, unsere Seele und

m a c h t u n s z u a n d e r e n M e n s c h e n . Indem wir aber zu

anderen Menschen geworden sind, w o l l e n wir doch anderes,

ist unser Sollen bestimmt, ist Theorie zur Praxis, ist Wissenschaft

zur Politik geworden.

Nun erkennen wir auch Wahrheit und Grenze der Lehre, die uns

in dem uralten, von Sokrates und Platon vertretenen Satz „ D a s /

W i s s e n m a c h t g u t “ aufbewahrt ist, und die der altindische

Mokshadharma so schön und unbefangen in die Worte kleidet: „Das

Wissen gilt den Guten als Himmel.“

1

Das äußere Zurkenntnisneh-

men macht freilich noch nicht gut und übt noch keine sittliche

Wirkung aus. Aber das innerlich gewordene Wissen, das in unsere

Seele selbst eingegangen ist, macht gut. Dies ist für die soziologische

Erkenntnis des Wesens der Wissenschaft entscheidend.

Für die Sittenlehre kommt noch ein anderer wichtiger Umstand

hinzu: Nicht jeder ist gleichermaßen fähig, das Wissen in sich zu

verinnerlichen und die veredelnde Wirkung der Wissenschaft an

sich zu erfahren. Nur wenn die edle, sittliche Natur das Wissen er-

1

Vgl.: Vier philosophische Texte des Mahabharatam, deutsch von Paul

Deussen, Leipzig 1906, S. 137.