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[427/428]

fen. Diese Erscheinung ist in der Wirtschaft unter dem Namen

„Tendenz zum O r g a n i s a t i o n s z w a n g “ bekannt

1

; für eine

Gewerkschaft gilt es, alle Arbeiter zu erfassen; für eine Zunft, das

ganze Gewerbe (Zunftzwang); für die Kirchen, alle Gläubigen in

sich zu vereinigen, denn Unbekehrte und Sekten beweisen nicht nur,

daß die Aufgabe der Bekehrung noch nicht erfüllt ist, sondern sie

bilden auch eine Gefahr, die abgewandt werden muß! — Ausfluß

des Dranges zur Ausschöpfung der Veranstaltungsaufgabe ist die

W e r b u n g

2

.

Es ist leicht ersichtlich, daß die Kategorie der „Lückenlosigkeit“

der Organisation eine entscheidende Bedeutung für die ganze Ge-

staltung der Gesellschaft hat. Sie bedeutet einen ständischen Grund-

zug aller Veranstaltung.

Eine besondere Betrachtung erfordert die Herrschergewalt in der

Veranstaltung.

/

III. Die Herrschergewalt

Wir haben schon bei Erörterung des Gesetzes der kleinen Ge-

meinschaften das Wesen der Herrschaft untersucht und gefunden,

daß sie im Grunde nicht mechanische Gewaltanwendung, sondern

geistige Gültigkeit ist. Wir unterschieden demgemäß diese als auto-

ritative Macht oder Gewalt von der mechanischen

3

.

Das in jeder Anstalt unentbehrliche Herrschafts- oder Gewalt-

element kann nicht als gegebene „M a c h t “ einfach hingenommen

werden. Woher entspringt diese Macht, das ist die Frage. Schlecht-

hin als mechanische Gewaltanwendung überlegener Kräfte kann sie

nicht erklärt werden, denn dann wäre die technisch-mechanische

oder die psychologische (im Einzelwillen gründende), nicht aber die

gesellschaftswissenschaftliche Erklärung der „Gewalt“ gegeben; und

überdies wäre dann die Veranstaltung ihrem Wesen nach Ausbeu-

tung (des Organisierenden gegenüber dem Organisierten), während

sie in Wahrheit das Gegenteil: Veranlassung stetiger und gesteiger-

ter Gemeinsamkeit des Handelns, wie gemeinsamer Geistigkeit ist.

1

Vgl. Fritz Kestner: Der Organisationszwang, Eine Untersuchung über die

Kämpfe zwischen Kartellen und Außenseitern (1912), 2. Aufl., Berlin 1926.

2

Darüber unten mehr, siehe S. 538.

3

Siehe oben S. 289 ff.