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[462/463]

Aber die Geistigkeit des Zusammenhanges bedeutet noch keine subjektive Be-

wußtheit.

Das Ergebnis dieser lehrgeschichtlichen Betrachtung ist ziemlich trostlos.

Eine arge Begriffsverwirrung gleich sehr bei jenen, die das Volkstum gering ein-

schätzen möchten, zum Beispiel bei den meisten Rednern des Soziologentages

1

, wie

bei jenen, die ihm die größte Bedeutung beimessen.

/

B . L e h r s t ü c k d e s V o l k s t u m s i n U m r i s s e n

1 . D i e v e r s c h i e d e n e n A r t e n v o n G e m e i n s a m -

k e i t i n d e n v e r s c h i e d e n e n B e g r i f f e n

d e s V o l k s t u m s

Überblickt man die vielen Widersprüche, welche Geschichte und

Wirklichkeit zeigen — Holland, Schweiz gegenüber Deutschland;

Dänemark gegenüber Norwegen; Basken gegenüber Spaniern

usw. —, so bleibt als fester Ausgangspunkt der Untersuchung nur

übrig, daß jeder mögliche Begriff des Volkstums eine Art von Ge-

meinsamkeit, das heißt also (was sich zunächst allerdings von selbst

versteht): daß das Volkstum nicht als Staat selbst, als Rasse selbst

usw. gefaßt werden kann, sondern nur immer als gemeinschaftliches

Haben des Staates (Staatsvolk), das heißt als Staatsgemeinsamkeit

der Bevölkerung, als gemeinsames Haben der Sprache (Sprachvolk),

der Rasse (Rassenvolk), des geographischen Raumes (Raumvolk), der

Religion usw. Der Begriff des Volkstums erweist sich als ein Be-

griff von irgendwelcher Gemeinsamkeit.

Dies festgehalten, zeigt sich sogleich, daß alle die aufgezählten

„Gemeinsamkeiten“, mit welchen die Volkheit gleichgestellt wurde,

g a n z v e r s c h i e d e n e n inneren Aufbau haben.

Das S p r a c h v o l k , jene Menschen, welche die gleiche Sprache

sprechen, hat damit nur eine bestimmte formale Bedingung zur

Aufnahme geistiger Inhalte gemein. (Allerdings ist die Sprache noch

über ihre Bedeutung als gleiches Verständigungsmittel hinaus eine

Bedingung zur Bildung geistiger Gemeinschaft; jedoch gehört der

von ihr überlieferte geistige Inhalt begrifflich zur Kultur.)

1

Vgl. die Verhandlungen des zweiten deutschen Soziologentages vom zo. bis

22. Oktober 1912 in Berlin, Tübingen 1913, dessen Hauptthema der Begriff des

Volkstums war. Mit Vorträgen von Paul Barth, Ferdinand Schmid, Ludo Moriz

Hartmann, Otto Bauer, Franz Oppenheimer, Robert Michels.