Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7061 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7061 / 9133 Next Page
Page Background

[123/124]

139

welche allein den Menschen zum anderen Menschen und zur Natur

in jenen Zusammenhang bringt, den jede höhere Ethik fordern

muß. Durch sie wird die mystische Ethik stets zugleich Gemein-

schaftsethik.

Das H e r o i s c h e des Geistes und der Tat ist nur möglich auf

Grund einer inneren Wiedergeburt, Erleuchtung, welche das Han-

gen an Sinnlich-Natürlichem überwindet und unserem Geist eine

höhere Freiheit eröffnet, nur möglich durch die Kraft der Unsterb-

lichkeitsüberzeugung und den Strahl höheren Lichtes, neben wel-

chem das irdische Licht verdunkelt wird und der Wert dieses

sterblichen Lebens dahinschwindet.

Wahres Heroentum ist der Übertritt in ein übernatürliches

Leben

1

.

Der erwähnte Einwand, die Mystik zeige auch Neigungen der Ungebunden-

heit, der Auflösung bestehender Sitten in Subjektivität und damit zu willkürli-

cher Vereinfachung, kann wohl nicht geleugnet werden. Er trifft aber nur für

bestimmte geschichtliche Vorgänge zu; für solche nämlich, in denen einerseits

überkünstelte oder starre oder unnatürliche Bindungen überhand nehmen, an-

dererseits die Mystik Mode, das heißt u n e c h t wurde. Daß sich in solchen

trüben Zeiten im Gegenschlag Übertreibungen, sogar Entartungen hervordräng-

ten, ist nur allzu natürlich.

Worum es sich für uns hier handelt, ist jedoch ausschließlich das Grund-

sätzliche.

Da es auch noch andere ursprüngliche Bedingungen der Sittlich-

keit gibt, vor allem die A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g der

Gesellschaft

2

, sodann das Natur- und Triebhafte im Men- / schen,

sofern es durch das Wiedervervollkommnungsstreben zu überhöhen

ist, sprechen wir nicht von alleiniger Begründung, sondern nur von

einer Mitbegründung der Sittlichkeit durch die Mystik.

Den unbedingten V o r r a n g unter allen Faktoren der Sittlich-

keit hat aber die innere mystische Erfahrung. Sie gibt das Bewußt-

sein des höchsten Gutes, das Bewußtsein, nach welchem das Leben

auszurichten ist, und sie gibt die Kraft, von den Unvollkommen-

heiten, Wirrungen und Irrungen der jeweils Vorgefundenen ge-

schichtlichen Lebensgestaltungen den Weg zurück zur Vollkommen-

heit zu verfolgen. Kraft dieses Vorganges bleibt Mystik auch eine

1

Mehr darüber siehe unten S. 181 f.

2

Vgl. meine Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928, S. 115 ff.,

121 ff., 150 f. und 152 ff. [2. Aufl., Graz 1968, S. 180 ff., 189 ff., 233 f. und 236 ff.].