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daher auch das rein innerliche Leben, die höchste Askese und

Weltferne des Mystikers zu.

Aber auch die Welt ist eine Offenbarung Gottes, daher auch die

Weltarbeit ein Weg zu Gott! Ja, gerade die Gutheißung der Welt-

arbeit scheint uns ein Prüfstein echter Mystik.

Und auch die Kraft zum S t r e b e n nach dem vollkommenen

Leben schöpft der Mensch zuletzt aus dem metaphysischen und

mystischen Erleben. Wenn der Mensch über das Höchste bloß nach-

denkt, kann er sich wohl auch dem Naturhaften seiner Triebe und

seines ganzen irdischen Lebens entreißen; aber erst wenn er das

Gottesgut in sich selbst findet, in sich selbst besitzt und lebt, erst

dann wird in ihm jene innere Umwandlung, jene Wiedergeburt ein-

geleitet, kraft derer er von der Seinsweise der Natur in die Seins-

weise Gottes übergeht.

Die Mystiker machen das Heil des Menschen vom Erleben und

damit weiterhin vom E r k e n n e n Gottes abhängig, woraus das

Streben nach Vergottung, das heißt das Streben, dem Erkannten

der Gottheit nachzufolgen, also das sittliche Leben folgt. Nur so

entsteht ursprünglich Religion und aus Religion Sittlichkeit.

Erst wenn eine Religion mit Sittlichkeit einmal gegründet ist,

erst dann ist jene umgekehrte Erscheinung möglich, welche wir

in der Religions- und Philosophiegeschichte öfters sehen: das Heil

des Menschen vom sittlichen Leben abhängig zu machen, den Men-

schen vom sittlichen Leben her zum Erkennen Gottes (des / Über-

sinnlichen überhaupt) zu führen. Diese Neigung ist in der deutschen

Philosophie von Kant her allbekannt. Es ist aber ein Irrtum Kan-

tens, den von ihm eingeschlagenen Weg von der Sittlichkeit zu

Gott für den ursprünglichen zu halten. Vielmehr ist das Sittliche,

von dem er ausgeht, schon vom Religiös-Metaphysischen abgeleitet

worden, und zwar sowohl im geschichtlichen Sinn wie dem Wesen

der Sache nach. Ohne Transzendenzbegriff hätte der Begriff des

Sittlichen niemals entstehen können.

Außer dem Wissen um das Vollkommene ist damit die andere

Seite der Ethik gegeben: das Vorgefundene Unvollkommene und

Böse, womit wieder das Bewußtsein der eigenen Fehler, der S ü n d e

u n d d e s G e w i s s e n s verbunden ist. Gewissen ist der Impuls

zur Vervollkommnung oder Wiedervervollkommnung, das Streben

nach dem Vollkommenen. Nur wenn kraft jener Wiedergeburt