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Damit war nun weiter gegeben eine wunderbare M i l d e r u n g

u n d

L ä u t e r u n g

d e r

g e s e l l s c h a f t l i c h e n

u n d

s t a a t l i c h e n S i t t e n : zuerst Milderung der Sklaverei, spä-

ter schließlich ihre Abschaffung, sodann eine menschlichere Behand-

lung der Kriegsgefangenen, indem sie nun nicht mehr nach alter Art

einem Gott geopfert wurden oder der Sklaverei verfielen, vor allem

aber die Abschaffung der Blutrache, die wir noch in den isländischen

Saga so grausam und kulturzerstörend am Werk sehen. Allgemein

wirkte sich die Besserung der gesellschaftlichen Sitten, auch der Ehe-

sitten

1

, für die unteren Schichten aus, namentlich für die Sklaven

und Liten. (Natürlich darf das nicht im Sinne unseres modernen

Proletariats aufgefaßt werden, welches es damals ja gar nicht gab.)

Die allgemeine Besserung folgte aber auch an sich aus dem Evange-

lium der Liebe, insofern überall innerhalb und außerhalb der Klö-

ster eine K r a n k e n - u n d A r m e n f ü r s o r g e entstand, wie

sie das alte Heidentum nicht kannte und auch nicht kennen konnte.

Das brachte Licht und Freude in das Schicksal von Unzähligen.

Die schon betonte Erlösung von dem schlimmsten Wust des

Zauber- und Aberglaubens hatte ebenfalls sittlich und gesellschaft-

lich günstige Auswirkungen. (Daß trotzdem noch viel Aberglauben

und Magie übrigblieb, sogar bis heute, ist selbstverständlich.)

Die umgestaltende Wirkung des Christentums war so groß, daß

man nach kurzer Zeit die Welt nicht mehr erkennen konnte: / Neu-

belebung zuerst der antiken Welt, sodann der romanischen Welt

(„karolingische Renaissance“) und im Mittelalter der germanischen

Welt, wovon die Heldenlieder, der Minnesang, das hochsinnige Rit-

tertum, die gotischen Dome und die deutsche Mystik einzigartige

Zeugnisse geben.

Die Geschichte trat in ein neues Licht, das menschliche Sein in

eine höhere Ebene.

Daher es kein bloßes Apercu ist, sondern heiliger Ernst, wenn

G o e t h e im höchsten Alter zu Eckermann (11. März 1832) er-

klärte: „Mag die geistige Kultur nur immer fortschreiten, der

menschliche Geist sich erweitern, wie er will; über die Hoheit und

1

Vgl. Rudolf Köstler: Raub-, Kauf und Friedelehe bei den Germanen, in:

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanische Abteilung,

Bd 63, Weimar 1943, S. 92 ff.