Table of Contents Table of Contents
Previous Page  925 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 925 / 9133 Next Page
Page Background

[13/14]

27

denn es gibt keine theoretische Sozialwissenschaft, die nicht formal

wäre, ja überhaupt keine generalisierende Wissenschaft, die es nicht

wäre. Daraus müßte aber folgen, daß die Volkswirtschaftslehre, als

den „Inhalt“ zum Gegenstande habend, nicht generalisierend wäre!

Sodann soll dieser „Stoff“ der g a n z e Inhalt des gesellschaftlichen

Lebens sein. Volkswirtschaftslehre müßte danach wieder Soziologie

werden,

und

es

kommt

das

ärmliche

Schema

der

Gesellschaftswissenschaften

heraus:

Rechtswissenschaft

Volkswirtschaftslehre! Endlich kann es nach Stammler folgerichtig

keine selbständige Gesetzmäßigkeit der Wirtschaft geben, sondern

nur Gesetze der Form, „Gesetzmäßigkeit der Zwecke“, worunter das

Richten eines niederen Zweckes an einem höheren zu verstehen ist

1

.

Daß es selbständige wirtschaftliche Gesetze gibt, sollte aber ein

Kundiger im Ernste nicht leugnen. In der Tat ist Diehls Verteidigung

dieses Standpunktes so Unglück- / lich wie nur möglich, wenn er den

Gegenstand der Volkswirtschaftslehre bestimmt als „die auf

Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichtete Tätigkeit der Menschen“,

wobei er behauptet, daß im Begriffe der Tätigkeit die Knappheit der

Mittel mitgedacht sei. Diese Begriffsbestimmung und Konstruktion

der Wirtschaft ist ganz und gar jene Mengers. Die nachträgliche

Elinzufügung, daß diese Tätigkeit in „Gemeinschaftsform“ vor sich

gehen müsse

1 2

, ist Flickwerk und kann daran nichts ändern, daß Diehl

von der Einzelwirtschaft aus die Sozialwirtschaft erklärt und so gleich

am Anfang gegen die Forderung seines Meisters Stammler verstößt, sie

nur als „Inhalt“ sozialer „Normen“ zu fassen

3

.

Mit einem etwas krausen Wirtschaftsbegriff hat endlich Lief- mann

in den letzten Jahren die theoretisch so hilflose gelehrte Welt

Deutschlands beunruhigt. Nach Liefmann soll es nicht der Nutzen

(beziehungsweise Grenznutzen) sein, auf dem die Wirtschaft beruht,

sondern der Ertrag (beziehungsweise „Grenzertrag“), das ist

1

1

Stammler: Wirtschaft und Recht, S. 220.

2

Karl Diehl: Einleitung in die Nationalökonomie, Jena 1916, S. 2 und 5 ff.

3

Hierher dürfte auch Rudolf Stolzmann (Grundzüge einer Philosophie der

Volkswirtschaft, Jena 1920) zu rechnen sein, der aber trotz teilweise verwandter

Bestrebungen die Volkswirtschaftslehre auf das „materielle Bedürfnis“, das Sachgut

einschränkt, dennoch zugleich ein Zwecksystem, kein Mittelsystem in der

Volkswirtschaft sieht.