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denn es gibt keine theoretische Sozialwissenschaft, die nicht formal
wäre, ja überhaupt keine generalisierende Wissenschaft, die es nicht
wäre. Daraus müßte aber folgen, daß die Volkswirtschaftslehre, als
den „Inhalt“ zum Gegenstande habend, nicht generalisierend wäre!
Sodann soll dieser „Stoff“ der g a n z e Inhalt des gesellschaftlichen
Lebens sein. Volkswirtschaftslehre müßte danach wieder Soziologie
werden,
und
es
kommt
das
ärmliche
Schema
der
Gesellschaftswissenschaften
heraus:
Rechtswissenschaft
—
Volkswirtschaftslehre! Endlich kann es nach Stammler folgerichtig
keine selbständige Gesetzmäßigkeit der Wirtschaft geben, sondern
nur Gesetze der Form, „Gesetzmäßigkeit der Zwecke“, worunter das
Richten eines niederen Zweckes an einem höheren zu verstehen ist
1
.
Daß es selbständige wirtschaftliche Gesetze gibt, sollte aber ein
Kundiger im Ernste nicht leugnen. In der Tat ist Diehls Verteidigung
dieses Standpunktes so Unglück- / lich wie nur möglich, wenn er den
Gegenstand der Volkswirtschaftslehre bestimmt als „die auf
Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichtete Tätigkeit der Menschen“,
wobei er behauptet, daß im Begriffe der Tätigkeit die Knappheit der
Mittel mitgedacht sei. Diese Begriffsbestimmung und Konstruktion
der Wirtschaft ist ganz und gar jene Mengers. Die nachträgliche
Elinzufügung, daß diese Tätigkeit in „Gemeinschaftsform“ vor sich
gehen müsse
1 2
, ist Flickwerk und kann daran nichts ändern, daß Diehl
von der Einzelwirtschaft aus die Sozialwirtschaft erklärt und so gleich
am Anfang gegen die Forderung seines Meisters Stammler verstößt, sie
nur als „Inhalt“ sozialer „Normen“ zu fassen
3
.
Mit einem etwas krausen Wirtschaftsbegriff hat endlich Lief- mann
in den letzten Jahren die theoretisch so hilflose gelehrte Welt
Deutschlands beunruhigt. Nach Liefmann soll es nicht der Nutzen
(beziehungsweise Grenznutzen) sein, auf dem die Wirtschaft beruht,
sondern der Ertrag (beziehungsweise „Grenzertrag“), das ist
1
1
Stammler: Wirtschaft und Recht, S. 220.
2
Karl Diehl: Einleitung in die Nationalökonomie, Jena 1916, S. 2 und 5 ff.
3
Hierher dürfte auch Rudolf Stolzmann (Grundzüge einer Philosophie der
Volkswirtschaft, Jena 1920) zu rechnen sein, der aber trotz teilweise verwandter
Bestrebungen die Volkswirtschaftslehre auf das „materielle Bedürfnis“, das Sachgut
einschränkt, dennoch zugleich ein Zwecksystem, kein Mittelsystem in der
Volkswirtschaft sieht.