[15/16]
29
faltung des wirtschaftlichen Organismus im Schoße der menschlichen Gesellschaft
verstehen zu lehren, die Grundbegriffe wie Provinzen der Wirtschaft als seine
elementaren, organischen Bestandteile und Lebensformen aus sich heraus wesenhaft
zu entwickeln und die wahren Verfahren oder Betrachtungswege unserer Wissenschaft
aufzuweisen: so wolle man bedenken, daß damit im Grunde nur eine Lehre vom
Verfahren, kein neuer Inhalt unserer Wissenschaft geschaffen werden soll. Der
Inbegriff des Objektes kann gegenüber all dem, was bisher erreicht wurde, doch im
Grunde nichts sachlich Neues bringen. Es ist schon unendlich viel, einen
Schematismus, ein Organon der Volkswirtschaftslehre zu schaffen und damit auch eine
Methodologie. Jede Methodologie dagegen, die glaubt, s a c h l i c h neue
Gegenstandsbegriffe und Verfahren zu entdecken, ist im Irrtum. Dafür bietet die
neuerdings mit Lärm auftretende Methodenreform L i e f m a n n s ein Beispiel, deren
Ausgangspunkt schon oben als irrig nachgewiesen wurde. In Wahrheit kann die
Verfahrenlehre nichts tun, als gegebene Verfahren in ihrer Eigenart aufweisen, die
unangemessenen und unklaren aus- scheiden, die reinen als solche erweisen und in
ihremWahrheitswert erkennen, dadurch ihre Anwendung lehren, ihre Bedeutung und
ihre Grenzen aufklären und die Folgerungen auf den Inhalt des Begriffssystems, das
nun aufgebaut werden soll, selbst ziehen — was aber schon zur Anwendung der neu
begriffenen und erklärten Verfahren gehört. Neue Verfahren können in einer
entwickelten Wissenschaft nur in der sachlichen Forschung selbst geschaffen werden.
Wer einen neuen Schlüsselbegriff bildet, wie den Grenznutzen, der allein schafft und
übt ein neues Verfahren. Wer a b e r V e r f a h r e n l e h r e t r e i b t , e r k e n n t
i m
w e s e n t l i c h e n
n u r
g e g e b e n e
V e r f a h r e n ,
s e i n
G e g e n s t a n d i s t d i e g e g e b e n e W i s s e n s c h a f t . Was ausgezeichnete
und geniale Denker in jahrhundertelanger Arbeit aufgebaut haben, das enthält
notwendig alle jene Betrachtungsweisen, die rein aus der Natur des Gegenstandes, aus
den logischen Bestimmungen desselben folgen! Der wahre Verfahrenlehrer
e n t d e c k t daher nicht neue Wege und Verfahren, sondern indem er aus dem richtig
aufgebauten Begriff des Gegenstandes das reine, wahre, diesem allein / gerecht
werdende Verfahren ableitet, e r k l ä r t er nur die alten, erkennt er die angemessenen
und unangemessenen, den Grund ihrer Erfolge und Mißerfolge und deckt den
logischen Aufbau seiner Wissenschaft auf. Verfahrenlehre ist eine Erkenntnis für sich.
Ich würde es daher geradezu für dilettantisch halten, mit dem Begriff der Wirtschaft
als einem leistenden System der Mittel für Ziele, den ich im nachfolgenden entwickeln
werde, und mit den methodologischen Folgerungen, die ich daraus ziehe, den
Anspruch auf neue sachliche Entdeckungen zu erheben. Ganz im Gegenteil kann ich
nur in der Beobachtung eine Stütze finden, daß alle großen und erfolgreichen
Theoretiker unserer Wissenschaft, daß Quesnay, Adam Müller, Ricardo, List, Thünen,
Menger und alle die anderen schon diejenigen Verfahren und Betrachtungsweisen
geübt haben, die aus dem Gegenstandsbegriff unserer Wissenschaft als die reinen und
ihm allein angemessenen erkennbar sind.
Der Versuch, den ich hier vorlege, geht von Grundgedanken aus, die
ich in verschiedenen zerstreuten, zum Teil jugendlichen metho-