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dem sie die atomhafte Auffassung der Wirtschaft wirklich zu Ende
denken
1
. Das tun im Grunde alle liberalen Klassiker, das tut zuletzt auch
Mengers Begriffserklärung — „Komplikation“ von Einzelwirtschaften
—, die als eigentliche Wirklichkeit doch nur den „Verkehr“
s e l b s t h e r r l i c h e r
W i r t s c h a f t e r
setzt
und
die
„Komplizierung“, die durch „Eingreifen des Staates“ usw. entsteht, als
nebensächlich, als nicht wesensbestimmend denkt. Über seine
Begriffsbestimmung ist die im Individualismus ganz befangene, heutige
Wissenschaft kaum hinausgekommen.
Wenn vonW i e s e r , mehr ins Einzelne gehend, die „Produktionsverwandtschaft“
aller Einzeltätigkeiten und die „Tausch- und Zahlungsgemeinschaft“ als wesentlich für
die Volkswirtschaft bezeichnet, so sind damit zwar bestimmte (selber autark gemeinte)
Merkmale jener „höheren Einheit“ festgestellt, aber diese selbst ist nicht erklärt. — Im
Gefühle, einer Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, spricht man wohl auch statt von
einer Volkswirtschaftslehre von einer „Sozialökonomik“ und schiebt mit der darin
gelegenen Bestimmung der Volkswirtschaft als von „gesellschaftlicher“, von „sozialer
Form“ die Volkswirtschaft selbst beiseite. Gewonnen ist damit nichts, da man über die
Tatsache, daß es eine leibhaftige Volkswirtschaft und ihre Überhöhung durch die
Weltwirtschaft gibt, nicht hinwegkommt.
In Wahrheit ist also, um es zu wiederholen, mit der Bestimmung der
Volkswirtschaft als „Komplikation“ der Einzelwirtschaften, als deren
„soziale Form“ nur die Tatsache der V e r k e h r s w i r t s c h a f t im
individualistischen Sinne festgestellt. Denn jene Bestimmung sagt nur:
Wirtschaften stehen miteinander in Beziehung (in „sozialer
Beziehung“), was besagen will: sie verkehren miteinander. Wo steckt
aber die „Einheit“, die man doch nicht missen will, wo der Quellpunkt,
die Schöpferkraft der Einheit? Denn „soziale Beziehung“, oder
„Verkehr“, in der üblichen atomistischen Weise gedacht, ergibt nur ein
immer
fortgehendes
netzartiges
Aneinanderreihen
der
Einzelwirtschaften, aber keine Geschlossenheit, keinen „Organismus“,
nichts, das irgendwo Einheit und Gestaltung fände. /
II. Die Vereinheitlichungsgründe der Wirtschaft
Um
jener
Unklarheit
zu
entrinnen,
müssen
die
Vereinheitlichungsmomente, welche die gesellschaftliche Wirtschaft
erlangen kann, planmäßig untersucht werden. Es werden sich dann, wie
wir
1
Bezeichnend dafür, weil folgerichtig, besonders Leo Petritsch: Die Theorie von
der sogenannten günstigen und ungünstigen Handelsbilanz, Graz 1902.