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schon der Begriff des Grenzkäufers gar nicht zu fassen ohne den des
individuellen Grenznutzens, der Kapitalzins nicht ohne die
Grenzproduktivität des Kapitals, beziehungsweise überhaupt ohne
Produktivität, ohne Kapital, die beide robinsonadisch zu konstruieren
sind; freilich ist die Krise etwas rein Soziales, aber Krise gibt es nicht
ohne Störung der Verhältnismäßigkeit von „Erzeugung und
Verbrauch“, wie die herkömmliche Formel lautet (richtiger: ohne
Störung
der
Verhältnismäßigkeit
aller
Erzeugungszweige
untereinander, das ist der sachlichen Gliederung der Mittel) — eine
Erscheinung, die wiederum der Individualwirtschaft ebensogut
angehört wie der Verkehrswirtschaft. — / Es ist also zuletzt dieselbe
Art von Grundverhältnissen, die wir in der Individualwirtschaft und
in der Verkehrswirtschaft, dieselbe Art von Begriffen, die wir in der
Erzeugungslehre und in der Preislehre antreffen; beide sind nur
stufenmäßig und abartend verschieden, ihre Auseinanderreißung ist
ein Unding.
Noch wäre ein Versuch der Bestimmung der Wirtschaft zu
erwähnen, welcher mit von Gottl und Amonn die Skepsis gegenüber
den bisherigen Begriffserklärungen teilt und mit Amonn außerdem die
Einzelwirtschaft nicht als Bestandteil der Volkswirtschaft anerkennt,
der von Stammler und Diehl. Während jedoch bei Amonn in klarster
Weise der wirtschaftliche Verkehr als solcher Gegenstand der
Wissenschaft ist, soll es hier der „Inhalt“ der Normen, der „Inhalt“ der
„sozialen Ordnung“ sein. Rudolf Stammler
1
hat das Wesen des
Gesellschaftlichen als „Form“, das ist Norm, „Regelung“ (deren
Hauptgestalt die Rechtsordnung ist) bestimmt. „Soziales Leben ist
äußerlich geregeltes Zusammenleben“, erklärt Stammler. Den „Inhalt“
des von Recht, Sitte und Konvention Geregelten bestimmt er als
Wirtschaft:
„das
auf
Bedürfnisbefriedigung
gerichtete
Zusammenleben“. Karl Diehl hat sich in seiner jüngst erschienenen
„Theoretischen Nationalökonomie“ vorbehaltlos auf diesen
Standpunkt gestellt
2
. Dessen unheilbare Schwäche liegt nun in der
Unterscheidung von Form und Stoff („Inhalt“), eine Unterscheidung,
die unbestimmbar, die schlechthin verfehlt ist;
1
Rudolf Stammler: Wirtschaft und Recht nach der materialistischen
Geschichtsauffassung, 3. Aufl., Leipzig 1914.
2
Karl Diehl: Einleitung in die Nationalökonomie (Theoretische
Nationalökonomie, Bd 1), Jena 1916.