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der Menschen wäre daher statt einer Geschichte der Ideen, der Staaten

und der großen Männer eine solche von Wirtschaftsweisen und

Wirtschaftskämpfen, im besonderen in der Form von Klassenkämpfen.

Es nützt nichts, wie verschiedene Neumarxisten versuchen, diese

innerlich hohle, ja wirre Geschichtstheorie durch Umdeutungskünste

zu mildern. Man muß aus dem Begriffe der Wirtschaft als einem

Gebäude von Mitteln für Ziele die grundsätzliche Verkehrtheit dieser

Ansicht erkennen. Dienstbereitschaft bezeichnet das Wesen der

Wirtschaft. Die Ziele sind so das Erste, die Mittel das von ihnen

Erschaffene. Die r e i n e D i e n s t b a r k e i t , n a c k t e M i t -

t e l h a f t i g k e i t d e r W i r t s c h a f t i s t e s , d i e i h r j

e d e u r s p r ü n g l i c h e R o l l e i n d e r G e s c h i c h t e u n d

G e s e l l s c h a f t v e r s a g t .

Dies folgt aber auch schon aus jedem gesunden Gefühl der

geschichtlichen Wirklichkeit. Welche öde Mechanisierung und

Materialisierung des menschlichen Daseins liegt jener Auffassung

zugrunde, wie wenig innere Kenntnis von Bewegsamkeit des

menschlichen / Geschickes muß ihr eigen sein! Und dann: wie viele

nackte Not des Daseins muß in einer Zeit auf gespeichert worden sein,

damit sie eine solch geschichts- und lebenswidrige Lehre glaube — wie

dies im letzten Jahrfünfzig der Fall war! Vor allen derartigen

Verirrungen, auch wenn sie in weniger schroffer Form auftreten

(Engels hat ja später eine Abschwächung versucht), rettet der Begriff

von der reinen Dienstbarkeit aller Wirtschaft. Niemals kann in

Wahrheit das Mittel selber Zweck sein, solange die Natur ihre Rechte

behauptet; ebensowenig wie das Urbild zum Spiegelbild, der Herr zum

Diener, Stab und Stecken der Gestützte werden kann. Dieser Verirrung

in allem gesellschaftswissenschaftlichen Denken sei endlich ein Ende

gemacht!

Der Schein von ökonomischem Materialismus, den die Geschichte

manchmal zeigt, sowie alle andere Spiegelfechterei dieser heute in

tausend Schlagworten über die „grundlegende Bedeutung des

Wirtschaftlichen“ in Leben, Politik, Staat, Recht, Religion, Philosophie,

Wissenschaft herrschend gewordenen Theorie klärt sich einfach dahin

auf, daß oft genug im Leben wie in der Geschichte das Ziel selbst sehr

niedrig gesteckt war. Es ist die bloße Vitalität, die Befriedigung

ungeistiger Lebensbedürfnisse, welche sich häufig mehr in den

Vordergrund drängen, als der Würde und dem Begriffe des

menschlichen Lebens entspricht. Auch dann werden zwar die Mittel

niemals