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[242/243]

tungen vor, wie sie den in ihnen herrschenden Weitungssystemen jeweils ent-

sprechen.

Auf diese Weise geschieht es, daß die Gesellschaft die ihr innewohnende, durch

Fehlausgliederung bedingte Neigung, zur Zerklüftung und zum Kampfe aller

Gemeinschaften gegenüber allen überwindet und mittels der V o r h e r r s c h a f t

einer bestimmten Wertschätzung eine bestimmte Gliederung der geistigen In-

halte der Gesellschaft (beziehungsweise der Gezweiungen) vornimmt und erst

dadurch eine lebensfähige Gestalt erhält.

Es ist offenbar, daß die Gestaltgebung der Gesellschaft solchermaßen nur

möglich ist, indem jene Wertsysteme und Rangordnungen, die der herrschenden

widersprechen, u n t e r d r ü c k t werden. Die i n d i v i d u a l i s t i s c h - l i -

b e r a l - d e m o k r a t i s c h e L e b e n s o r d n u n g h e r r s c h t h e u t e u n d

u n t e r d r ü c k t n o t g e d r u n g e n d i e i h r f e i n d l i c h e n k o n s e r -

v a t i v e n , c h r i s t l i c h e n u n d s t ä n d i s c h e n W e r t s c h i c h t u n -

g e n ; die mittelalterliche, christliche Wertschichtung unterdrückte die ihr feind-

lichen, unchristlichen, freidenkerischen Schichtungen.

/

Jede sittlich geordnete Gesellschaft unterdrückt die sittlichkeits-

widrigen, verbrecherischen Elemente. (Das „unterirdische Wien“,

der „Bauch von Paris“, die ständige Bevölkerung der Zuchthäuser,

Gefängnisse, Armenhäuser.) In Zeiten des Überganges, der Herr-

schaftslosigkeit, der Revolution tauchen dann diese gebändigten,

lange unsichtbar und fast unbekannt gewordenen Elemente plötzlich

auf und möchten nun ihrerseits die Wertschichtung der Gesellschaft

bestimmen, welche die Tätigen, Ehrlichen, Reichen, aber auch alle

anderen Arbeitsamen unterdrücken und zu Ausbeutungsobjekten

machen würde. (Beispiele hierfür die vielen bolschewikartigen Auf-

stände und Güterverteilungen in der griechischen Verfallzeit

1

, in der

Französischen Revolution, im Regiment der Eisner und Bela Kun.)

Auch dies gehört darum zu den Grundeinsichten der Gesellschafts-

lehre: J e d e g e s c h i c h t l i c h e u n d l e b e n d i g e G e -

s e l l s c h a f t b e r u h t d a r a u f , d a ß s i e s i t t l i c h

S c h l e c h t e s n i e d e r h ä l t u n d d a r ü b e r h i n a u s

n o c h a l l e i h r f e i n d l i c h e n W e r t s y s t e m e b ä n -

d i g t , beruht darauf, daß sie nur durch unaufhörlichen Sieg be-

steht, indem sie, wie Schelling einmal von der göttlichen Ordnung

im Weltall sagt, über Schrecken thront.

Auch hier ist es also nichts mit eitel Friede und Liebe, wie Pazi-

fisten und Schwärmer träumen. Ohne äußere Macht-Herrschaft ist

keine Gesellschaft möglich; aber diese Herrschaft muß sich allerdings

1

Vgl. Robert Pöhlmann: Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus

in der antiken Welt, 2. Aufl., München 1912, zum Beispiel Bd I, S. 184 ff., 416 ff.

und öfter.