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[240/241]

II.

Pflegende Herrschaft oder Machtanwendung auf dem Grunde

des geistig Gültigen

Um verstehen zu können, wie innere Herrschaft das Verhältnis

der Gezweiungen regeln kann, verwiesen wir auf die schon bekannte

innere Gliederung der Gezweiung. Gezweiung besteht in sich, so

erinnerten wir, durch das Verhältnis von Führung und Nachfolge

(Vorbild-Nachbild), indem allein die sachliche Gültigkeit den über-

legenen Teil zum Führer, den anderen zum Geführten macht.

Gezweiung schließt daher, ihrem eigensten Gefüge nach, in sich:

eine sachliche Gliederung der geistigen Inhalte in der Weise, daß

die / aufeinander hingeordneten geistigen Elemente auch tatsäch-

lich ihre Hinordnung durchführen; eine Wertgliederung in der

Weise, daß das jeweils Höhere vor dem Minderen gilt. Sachliche

Gliederung und Wertgliederung fällt in der fruchtbaren Gezweiung

zusammen.

Genau so ist aber das Verhältnis z w i s c h e n den Gezweiun-

gen, die wieder Glieder größerer Gezweiungskreise sind. Auch hier

muß zur Befestigung und Sicherstellung noch eine ä u ß e r e

M a c h t und Herrschaft zu jener grundlegenden inneren, wesens-

gemäßen Herrschaft hinzukommen.

Wesentlich ist, daß die äußere Macht hier nur hilfsweise und er-

gänzend, nur abgeleitet auftritt! Wir nennen diese äußere Herr-

schaft die pflegende.

J e d e ä u ß e r e M a c h t k a n n s i c h , s o l l s i e d a u e r n ,

n u r a u f i n n e r e G ü l t i g k e i t g r ü n d e n u n d m u ß

e i n e p f l e g e n d e s e i n .

Es ist das eine Einsicht, welche der Gesellschaftskundige nicht ent-

behren kann, ohne die weder Gegenwart noch Geschichte verständ-

lich, ohne die keine wahre Staatskunst möglich ist. Andererseits

ist die äußere Macht als Ergänzung der inneren Gültigkeit unent-

behrlich. Auch dies ist eine grundlegend wichtige Einsicht, die man

wohl in den Satz zu kleiden pflegt: „Recht ohne Macht“, ein

„Staat ohne Gewalt“ ist hinfällig. Das ist freilich richtig, aber nur,

wenn diese Macht als ergänzende, pflegende Herrschaftsmacht ge-

dacht wird. Unentbehrlich bleibt, daß zuvor die innere wertgemäße

und gehaltmäßige Gültigkeit des durch Macht Vertretenen in Recht

und Staat (wie in allen anderen Lebensbereichen der Gesellschaft)