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hältnis des Einzelnen zur Gesellschaft und wird daher unten noch näher
besprochen werden. Hier nur so viel, daß in der Verbindung der
Einzelnen zur Gesellschaft nichts Eigenes, Neues, Spezifisches liegt; denn
sie läßt ja ihre Selbstwüchsigkeit (Autarkie) unberührt. (Andernfalls wäre
der individualistische Standpunkt verlassen.) W e s e n t l i c h i s t ,
d a ß d e r E i n z e l n e s c h o n v o r E i n g e h e n d e r
V e r b i n d u n g a l s g e i s t i g f e r t i g g e f a ß t w i r d . Ohne
diesen Gedanken kann kein Individualismus zu Ende gedacht werden.
Denn würde in der Verbindung der Menschen Geistiges in ihnen
geschaffen, so wären sie ja nicht autark, die Verbindung würde sie
schaffen, nicht daß umgekehrt sie (als vorher fertige) die Verbindung
schlössen. Wir wissen aber, daß sich nach individualistischer Auffassung
die Verbindung nur auf das äußere Handeln, auf gegenseitige Hilfe
bezieht, so daß überall nur eine mechanische Verkettung von Kräften,
keine geistige, keine innere (und das hieße aufbauende, umbildende)
Verbindung der Einzelnen vorliegt.
Gibt es darnach Gesellschaft nicht als e i g e n e s Ganzes, ist sie nur ein
Haufen Einzelner — so liegt auch alle Wirklichkeit nur in den Einzelnen.
Was z. B. am Steinhaufen an Erscheinungen vorkommt, etwa daß er 500
Pfund schwer ist, leitet sich nur von den Einzelnen ab, weil diese schwer
sind. Er selbst hat keinerlei eigene, er hat lediglich abgeleitete
Wirklichkeit. Dies ist der eindeutige, unentrinnbare / Schluß des
Individualismus aus dem Vordersatz der Autarkie. Und die Erfahrung
scheint ihm sogar recht zu geben. Wo finden wir die Gesellschaft als
solche, oder den Staat als solchen? Es gibt kein bestimmtes Ding, keine
bestimmte Person, die selber „der Staat“, „die Gesellschaft“ wäre, wohl
aber Einzelne — diese kann man sogar mit Händen greifen.