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eine Betriebsform gibt, in welcher der Handwerker nicht im Laufe
des geordneten Aufsteigens früher oder später Meister werden
konnte. Im großen Betriebe aber war es für die Menge der Arbeiter
natürlich unmöglich, selbständig zu werden.
Das mußte jener Zeit neu erscheinen und sie mit Grauen er-
füllen. Denn die Grundsätze der Zünfte waren andere: erstens die
sehr enge Begrenzung der Betriebsgröße, wodurch dem größten
Teile der Arbeiter die endliche Selbständigkeit gesichert war; zwei-
tens die Hinlenkung des Wettbewerbes auf Steigerung der Güte und
Schönheit der Waren, statt auf Menge und Wohlfeilheit. Wer mehr
verdienen wollte, konnte das nur in allergeringstem Maße durch
Vergrößerung des Betriebes erreichen; weit mehr mußte er durch
besondere Leistungen auf Steigerung seines Einkommens und An-
sehens bedacht sein. Einkommen und gesellschaftliche Stellung blie-
ben aber immer s t a n d e s g e m ä ß . — Dadurch wurde erreicht,
daß der Arbeiter mit dem Werke seiner Hände unmittelbar ver-
bunden blieb, daß er es liebte, seinen ganzen Eifer, seine ganze Seele
hineinlegte. Nicht nur Gewinn, auch Ansehen und / Ehre waren sein
Lohn. Das Handwerk drängte dazu, Kunstgewerbe zu werden, es
berührte überall die echte Kunst; wie es uns heute noch ein Sprüch-
lein offenbart, das ich auf einem herrlich verzierten, reich geschnitz-
ten Hause unweit des Straßburger Münsters vor dem Kriege las:
„Dieses Haus stammt aus einer Zeit,
Wo das Handwerk noch der Kunst war geweiht.“
Lehrlingsprüfungen, Gesellenstücke, Meisterstücke, Wander-
zwang ergänzten diese Grundsätze vortrefflich und gaben ihnen
immer neues Leben.
Es war das Geheimnis des Mittelalters, daß es dem allergrößten
Teile der bewährten Wirtschafter die Selbständigkeit sicherte und die
Arbeit technisch so ausgestaltete, daß der Arbeiter mit seiner Hände
Werke verbunden blieb, es zum Teil sogar bis zum Künstlertum
bringen konnte. Darum kann man fast sagen, daß es im M i t t e l -
a l t e r k e i n e „ s o z i a l e F r a g e “ g a b — eine Leistung, die
wir heute nicht genug bewundern und anstaunen können. Den Be-
griff „soziale Frage“ allerdings im strengen und eigentlichen Sinne
genommen. Denn daß es Kämpfe aller Art und darunter auch Wirt-
schaftskämpfe gab, ist nur selbstverständlich und auch — gesund.