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Mozart zeigte die himmlische Heiterkeit, die keiner wahren Trü-

bung fähig ist. Und diese Freude höherer Art hat noch keiner ge-

zeigt! Er zeigte sie nicht als den Silberblick des Morgenhimmels,

den Gott uns schickt, wenn wir verzweifeln, sondern als das, was

i m m e r da ist, als das Blut des Lebens, den Atem des Geistes. Er

zeigte sie zwar nicht in allen, aber in so vielen Werken und dann

immer als sein Eigenstes, meist in Tönen sehr hoher Lagen und

schneller Zeitmaße, die aus dem Überirdischen hereinbrechen. So

z. B., um nur dieses aus so vielen kleineren Stücken herauszugreifen,

im Kyrie der Krönungsmesse oder in der „Idylle“ aus „Petit rien“;

ferner in den Opern, so in Cosi fan tutte, so vor allem im gesamten

F i g a r o vom Vorspiel bis zum Ende.

Im Vorspiel des Figaro bricht es gleich in den ersten Tönen wie

Sprudelquellen himmlischer Freude auf. Es fehlen nicht die Trü-

bungen des Schicksals. Aber sie sind wie kleine Wölklein am klaren

Himmel, der sie in sich befaßt hält, gleichsam Kristalle des Him-

mels. Am Beginn des Schauspiels selber steht die lautere Freude, das

„Sieh doch nur, mein lieber Figaro ...“, woran sich mit dem grim-

migen „Will der Herr Graf ein Tänzchen nur wagen“ und dem

ätherischen Zwiegesang „Nur vorwärts, ich bitte, Sie Blüte von

Spanien“ die Wirrungen unaufhörlich aneinander reihen. Und was

sind all’ diese Wirrungen, diese Steigerungen bis zum Hader? Sie

sind nicht etwa „liebenswürdig“, sind auch nicht bloß „spielerische“

Gegensätze, sondern Ernst, tiefer Ernst — nur bewegt sich alles

auf einer Ebene, die nicht zu beschreiben ist; einer Ebene, die viel-

leicht zum ersten Male in der Geschichte erscheint, in Mozarts

Kunst und dann nie wieder; einer Ebene, die ferne scheint, die wir

aber dennoch klar und sicher vor uns sehen und deren Leben wir

als die Quelle unserer Kraft hienieden erkennen.

Wie soll man von dieser Ebene sprechen? Sagten wir, wir seien

im Figaro G a s t i n d e r I d e e n w e l t , in der Urwelt reiner

Wesenheiten, und sähen darum auch die Gegensätze und Kämpfe

von der Ebene der Ur-Wesenwelt und Urbildwelt her, so wäre das

die reinste Wahrheit; aber insofern doch nicht erschöpfend und ge-

wissermaßen nur ein Gleichnis, als Mozart in seinen Tönen nicht

die Mystik der Ideenwelt zu erreichen sucht, sondern alles so aus-

drückt, alles so geschehen läßt, wie bei uns. Aber es ist doch zu-

gleich mehr als ein Gleichnis. Denn das eine könnten wir uns von