XVIII.
Mozarts Größe
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„Nie hab’ ich
so etwas
gehört noch gesehn ..
(Zauberflöte)
Wer Weisheit finden will, muß vor allem den Meister suchen.
Ohne den rechten Meister keine Frucht. Welcher Verlust ist es da,
daß so viel Weisheit der Vorzeit, wie sie, der Menge unbekannt, in
den großen Musikwerken verborgen liegt, unter uns nicht lebendig
zu werden vermag, am meisten aber, daß der Größte der Großen,
Mozart, so wenig verstanden wird.
Bei anderen schöpferischen Geistern, die Zeit ihres Lebens miß-
achtet und dem gemeinen Neide preisgegeben wurden, bemühte sich
die Nachwelt, wenigstens das Wichtigste nachzuholen und sich ihre
großen Leistungen einzubilden. Bei Mozart aber ist auch das bis
heute nicht gelungen. Trotz aller Jubelfeiern ist das Eigenste, Ein-
zige seiner Größe so gut wie verschüttet.
Denn nie hat ein Größerer gelebt als Mozart. Platon, Phidias
oder wer sonst noch höchste Meisterschaft errungen, stehen mit ihm
auf gleicher Höhe. Worin geht aber Mozart den andern Meistern
seiner Art und andern schöpferischen Männern vor? Wir antwor-
ten: Seine Musik ist keine irdische, sondern eine überirdische, und
das nicht im blidlichen, sondern im wörtlichen Sinne.
Wo Mozarts Kunst das Irdische darstellt, geschieht es auf himm-
lischem Grunde, wie auch die alten deutschen Maler irdische Gestal-
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Zuerst erschienen in: Ständisches Leben, Jahrgang 3, Berlin, Wien 1933, S. 667 ff.