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Die unnennbare Angst und Furcht vor den Schrecken der Vernich-
tung im R e q u i e m — ein Winseln und Erbeben bis ins innerste /
Mark (ähnlich das Jüngste Gericht Michelangelos; im Requiem be-
sonders Dies irae Nr 3—7 und an so vielen Stellen) entspringt je-
nem dunklen Abgrund von Schuld und Sünde. Bei der Dolchszene
in der Z a u b e r f l ö t e , wo die Mutter der Tochter den Mord
befiehlt
1
treten in der Musik die finsteren Mächte hervor. Die Moh-
renmusik der Zauberflöte zeigt trotz aller Schönheit gleichsam einen
ins Unterweltliche gewendeten Papageno. Doch das Übermensch-
lichste vom Übermenschlichen ist die Musik des Don J u a n .
Im Don Juan läßt uns Mozart in die Finsternis der schwarzen
Magie blicken. Wir nennen vor allem die Fluchmusik, die zweimal
auftritt. Da ist zuerst der, zum Glück meist unverstanden geblie-
bene, Fluch der Donna Anna, bald nach Beginn des Schauspiels
2
,
welcher mit der Macht des Zaubers erklingt. J e d e r G r a s h a l m
v e r w e l k t b e i d i e s e m F l u c h e . Nun weiß man von allem
Anfange an: Wem dieser Fluch galt, der ist verloren. Dann folgt
der zweite Fluch
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. Er trifft nochmals ins Herz. Mozart übt damit
einen Zauber aus, wahren Zauber (nicht bildlich gesprochen).
Der lichte Zauber
Mozart zeigt aber auch den lichten Zauber und auch er wird aus-
geübt (abermals nicht bildlich gesprochen). Er ist ein solcher, mit
dem man ganz gewiß zaubern kann, wenn es nur sonst an Kraft
nicht gebricht — der Zauber der Schönheit. Die Töne der Zauber-
flöte, die Einweihungsmusik
4
, die Zauberglöckchen, die Weihwasser-
bespritzung
5
, sowie die Benedictus-Motive der Messen verraten sich
selbst, preisen sich selbst als solche Zauber an.
Das Lied an die Winde in Cosi fan tutte läßt deutlich die Se-
gensmagie erkennen (Zauberbann durch Disharmonien „Seid hold
1
Mozart: Zauberflöte, II, Nr 14.
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Mozart: Don Juan, I, Nr 2, „Auf, schwöre edle Rache...“.
3
Mozart: Don Juan, I, Nr 10, „Du kennst den
Verräter... zur Rache, zur
4
Mozart: Die Zauberflöte, II, Nr 21.
5
Mozart: Die Zauberflöte, II, Nr 16, „Seid
uns zum zweitenmal willkommen“,