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im Vorspiel, wo die gleichen Schichten der Geisterwelt aufgedeckt

werden. Ein Glück, daß die Hörer und Spieler diese Musik nur mit

den Ohren erfassen, sie könnten sie sonst kaum ertragen. Gluck

hat bekanntlich diesem Werke großartig vorgearbeitet, aber Mozart,

der Gluck benützte, hat es um eine Schichte tiefer und eine höher

ausgeweitet.

Nicht seinesgleichen hat darum der Don Juan in der Musik der

ganzen Welt, noch auch kaum in der Kunst der ganzen Welt.

Daß dieses Unnennbare durch die gesamte Musik des Don Juan

hindurchzittert und hindurchzittern muß, daß der Meister hier

nichts schaffen k o n n t e , was nicht davon angesteckt war, leuchtet

wohl ein, doch verwandelt sich dieser Ansteckungsstoff jeweils in

das Leben der anderen Musikstücke. Im „Aber in Spanien 1000 und

3" ist es die blühende Verführung des Frühlings; im Menuett (Erstes

Finale) klingt es als unheimliches Grübeln hindurch; am Beginn des

letzten Gastmahls fördert es die einfachsten Kinderweisen, fast Gas-

senhauer, auf die sich das aufgewühlte Bewußtsein Don Juans zu-

rückzieht, ans Tageslicht

1

.

Auch im höchsten Glanze der Musik ist darum noch die unselige

Naturverstricktheit des Menschen bemerkbar, der er verfallen ist

und sich nicht zu entziehen vermag.

Denn dies ist das Thema der Musik des „Don Juan“, die tiefe

Verstricktheit des Menschen in das Triebleben zu offenbaren, das,

an sich nicht böse, dennoch den blinden Drang in sich hat, die sitt-

liche Forderung aufzuheben und den Geist in die Natur herabzu-

ziehen.

Der infernalischen Unterwelt des Don Juan reiht sich eine

andere, mehr kosmisch empfundene Finsterwelt-Musik in der Zau-

berflöte an. Die K ö n i g i n d e r N a c h t vertritt die Materie,

die die Seele gefangen hält. Ihr erstes Erscheinen wird von der Mu-

sik, wie deutlich zu ersehen, unter dem Bilde des Mondaufganges

geschildert

2

. Aber in dieser Musik liegt mehr als die äußere Schil-

derung des Aufgangs des zweiten Lichtes, es liegt darin das Dunkle,

das unauflöslich Chaotische der innerlich lichtlosen Stoffwelt. Die

lichtlose Nacht ist dem Chaos nahe.

1

Mozart: Don Juan, II. Finale, erster Teil.

2

Mozart: Die Zauberflöte, I, Nr 4, Vorspiel zu „O zittre

i h “