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Die Seele ist allerdings „Tochter“ der Königin, in dem äußeren
Sinne nämlich, daß sie aus ihrem Schoße hervorgeht — aber die
Wahrheit ist, daß sie durch die Materie vielmehr hindurchgehen
muß. Je mehr sich die Seele von der Materie losringt, um so dü-
sterer wird ihr diese. Daher sich das nächtliche Dunkel der Musik
der Königin der Nacht (zum Teil nach Art des „Wurmmotives“) im
Laufe der „Zauberflöte“ immer mehr steigert; aber auch ihre Ohn-
macht immer lähmender wird. Zuerst hat diese Musik noch Ban-
nungsgewalt
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. Später bäumt sie sich gewaltiger auf, wird düsterer,
aber immer machtloser.
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Die Zauberflöte, das Gegenstück zu Don Juan
Der Don Juan konnte nicht allein stehen, mich dünkt, es wäre
unmöglich gewesen, daß Mozart gestorben wäre, ohne die „Zauber-
flöte“ geschrieben zu haben. Seine Lebensgeister hätten ihn zurück-
gehalten, bis er das Seinige getan. Er mußte auch dasjenige Stück
schreiben, in dem so recht die h i m m l i s c h e n M ä c h t e auf-
treten. Hier ist der Mensch in seinem irdischen Himmel gezeigt,
aber dieser Himmel ist nicht sein Besitz von Anbeginn, er muß
durch rastloses Streben errungen werden. Das zeigt schon das Vor-
spiel, dessen Gliederung wir folgendermaßen erklären möchten:
Drei Schläge an die Eingangspforte des Lebens;
Gebet: (Aufnahmebitte des Maurers, denn bekanntlich ist die
äußere Form der Zauberflöte der Maurerei entlehnt, die aber da-
mals noch mystische Überlieferungen besaß, also nicht der heutigen
glich);
Arbeit am rauhen Wesen des eigenen Selbstes (am „rauhen
Stein“ des Maurers, versinnbildlicht durch die emsige Arbeit des
spitzen Meißels);
Triumph ob des Gelingens der Arbeit;
drei Schläge (Trompetenstöße der Priesterabstimmung = Gut-
heißung); Fortsetzung der Arbeit auf höherer Stufe und Sieges-
triumph.
Außer dem, was dem Reiche der Königin der Nacht angehört,
sind in der Z a u b e r f l ö t e ü b e r a l l i c h t e r Z a u b e r
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Mozart: Die Zauberflöte, I, Nr 4, Allegro
moderato „Du, Du, Du ...“, auch die
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