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[316/317]

B.

Die A l l g e m e i n h e i t e n a l s U m g l i e d e r u n g s -

t r ä g e r

(Das Verhältnis der Allgemeinheiten und der Einzelnen in der

Geschichte)

Unsere Tafel zeigt uns zuerst die geschichtlichen Mächte als All-

gemeinheiten, Ganzheiten verschiedener Art. Aber die Ganzheiten

selbst bestehen, weil in den Gliedern geboren, nur durch die Lei-

stungen dieser Glieder, sie sind getragen und verkörpert nur von

den Gliedern. Indem andrerseits die Ein- / zelnen unbeschadet ihres

Eigenlebens als Glieder und Träger von Ganzheiten erscheinen, ist

damit das Verhältnis des Einzelnen zur Ganzheit bestimmt. Es ist

dasselbe, dem wir schon früher bei der Frage begegneten: ob die

Geschichtsschreibung die Ganzheiten oder die Einzelnen zum Gegen-

stande zu nehmen habe

1

. Die Ungewohnheit des ganzheitlichen

Denkens und die Unlösbarkeit dieser Frage für die bisherigen Be-

griffsmittel gebieten es, die schon früher entwickelten Begriffe hier

im Zusammenhange unserer jetzigen Frage nochmals zu begründen.

In der Geschichte sehen wir zunächst nur Ganzheiten, Allgemein-

heiten, Kollektivitäten gegeneinander und miteinander auftreten.

Es drängen sich schon dem flüchtigen Blicke überall allgemeine

Mächte als wirksam auf, die teils einander widerstreiten, teils doch

irgendwie Zusammenwirken. Dafür ein paar Beispiele.

(1)

D i e R e l i g i o n e n : die katholische und protestantische Richtung; auf

dem Balkan die griechisch-orthodoxe Richtung gegen die katholische (Kroaten

gegen Serben); gegen Osten auch die mohammedanische Religion. Welche Folgen

auf die Schicksale Deutschlands der Widerstreit der allgemeinen Mächte „katho-

lisch-protestantisch“, zugleich der von Habsburg-Hohenzollern, hatte, daß er

unter anderem den Verlust von Elsaß-Lothringen brachte, ist allbekannt.

(2)

Die S t a a t e n als solche, deren Natur und Lebenserfordernisse aber

öfters von den Belangen der Herrscherhäuser durchkreuzt wurden. Aber immer-

hin sind die Herrscherhäuser im großen und ganzen die Träger und Vertreter

von Staatserfordernissen. Wer aber versuchen würde, die Staatengeschichte in

die Geschichte des Handelns vieler Einzelner aufzulösen (einzelner Herrscher,

Ratgeber und Bürger), der würde an den eigenen, eigentlichen Wirklichkeiten

der Ganzheiten, die gerade das Geschichtlich-Bestimmende ausmachen, vorüber-

gehen. Dafür einige Beispiele:

Österreich, ursprünglich nur eine östliche Mark des Reiches, das heißt ein

1

Siehe oben S. 92 ff. und 153 ff.