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Fragen wir, woher die schnellen Zeitmaße der Musik Bachs und noch mehr

Mozarts, so werden wir tief in die Quellen des Schaffens geführt. Den Grund

wird man zuletzt darin finden müssen, daß Mozart die Fülle der Eingebung

schnell, unmittelbar fassen mußte, daß er gleichsam die ungeheure Vibration

der Ideenwelt in seine Darstellung mit herüber nahm. Mozart empfand alles

ideenhaft in der Wurzel und fühlte darum den ungeheuren Drang des Vorseins,

den Drang der Idee, sich darzustellen, ekstatisch mit. Nicht nur die überwelt-

liche Idee selbst, auch ihre gespannteste Schaffenskraft ist es, was in den schnellen

Zeitmaßen seiner Musik mitzittert. — Wie im Einzelnen so im Ganzen in der

Geschichte, kraft des gliedhaften Enthaltenseins des Einzelnen im Ganzen.

Daß nicht alle Zeitalter gleich schaffenskräftig sind, ist eine Grund-

tatsache der Geschichte, die sich jedem Geschichtsschreiber aufdrängt.

Und sie ist es, welche nicht nur die Schnelligkeit des inneren Zeit-

maßes bestimmt, sondern zugleich den Unterschied von g r ü n -

d e n d e n u n d e n t f a l t e n d e n Z e i t a l t e r n , oder schöp-

ferischen und ausbauenden Zeitaltern setzt, denen man noch v e r -

f a l l e n d e , das heißt vorwiegend fehlentfaltende Zeitalter hin-

zufügen muß.

Hierbei sind wieder zu trennen die Zeitalter: (a) der Gründung des Gedan-

kens (man denke an Platon, Meister Eckehart, Kant); (b) der Gründung der

Tat (Alexander, Otto der Große, Entstehung der christlichen Kirche) und ent-

sprechend: der Entfaltung des Gedankens (platonisch-aristotelische Schulen) wie

der Tat. (Diadochen, staatliches Leben unter den Sachsenkaisern, kirchliches Le-

ben unter den Päpsten.)

Der Stufengliederung der Zeitalter nach Gründung und Entfaltung entspricht

auch die übliche Unterscheidung von „Gründerzeiten“ und nachfolgenden, aus-

bauenden Zeiten. Das tritt besonders in allem hervor, was Sippengeschichte in

irgendeinem Sinne ist. Denn dort wird von den Gründern, z. B. eines Fürsten-

geschlechtes, von Ahnen gesprochen, denen die Späteren als Abkömmlinge und

Spätergekommene nachfolgen. Dieses / A h n e n - u n d A b k ö m m l i n g s -

v e r h ä l t n i s ist aber in der Geschichte nicht eigentlich biologisch zu verstehen,

vielmehr nach Weise der Gründung und Entfaltung. Denn nicht um die körper-

liche Abstammung handelt es sich zuerst (welchen Punkt die Rolle der Adoption

in der Geschichte beleuchtet), sondern um die geistig-anstaltlichen Gründungen,

z. B. der Herrscherhäuser, Sippen, Staaten, Orden, Schulen, und ihre Entfaltun-

gen.

Mit dem inneren Rhythmus oder Zeitmaße hängt innig zusam-

men das mehr schauende oder handelnde Gepräge der einzelnen

Teilgebilde und Stufen. Darnach sind vorwiegend s c h a u e n d e

u n d h a n d e l n d e Z e i t a l t e r zu unterscheiden, sei es im

Gesamten, sei es abweichend nach den einzelnen Teilgebilden.