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ist Anstaltsüberlieferung. Aber auch die Überlieferung der rein geistigen Lebens-

kreise — Religion, Wissenschaft, Kunst, Sittlichkeit, Sprache — muß durch An-

stalten (Organisationen im weiteren Sinn) hindurchgehen. Das geistige Leben geht

eben durch dieselben Anstalten: indem die Familie all die genannten Inhalte

überliefern soll, die Kirche vornehmlich die Religion, die Schule vornehmlich

das Wissen, die Kunstorganisationen vornehmlich die Kunst. „Vornehmlich“

sagen wir, weil sich natürlich kein geistiger Teilinhalt völlig aus dem Zusam-

menhange aller anderen herausreißen läßt. — A h n e n d i e n s t , F e s t e ,

K a l e n d e r , H e l d e n s a g e n , S t a m m e s s a g e n , D e n k m ä l e r ,

G e d e n k f e i e r n ,

H e i m a t p f l e g e ,

M u s e e n ,

G e s c h i c h t s u n -

t e r r i c h t — das sind einige besondere Formen der Überlieferungspflege im

engeren Sinn. Die älteren Zeiten kennen eine viel durchdringendere Überlie-

ferungspflege als die heutigen

1

.

Die E r z i e h u n g ist mit den genannten Gestalten der Pflege der Über-

lieferung innig verknüpft und zum Teil einerlei. Überdies vollzieht sie sich in

eigenen Formen, man denke nur an die J u g e n d w e i h e n älterer Zeiten,

ferner an die inneren Einrichtungen der Stände selbst. In deren eigenem, sowie

im allgemeinen Schulwesen (mit seinen bestimmten Lehr- / plänen, Verpflichtun-

gen, sonstiger Ausbildung), ferner im Prüfungswesen mit seinen bestimmten

Berechtigungen; weiter in eigenen Vorsorgen, die sich der oben genannten

Anstalten, z. B. der Familie, der Kirche bedienen, wird zugleich die Überlie-

ferung, das heißt die Eingliederung in die früheren Zeitzusammenhänge gepflegt.

Selbst die einfachste Kultur ist ohne dieses Gegenwärtigmachen des Vergan-

genen, wie es in Überlieferung und Erziehung sich darstellt, nicht denkbar.

Die angeführten Rückverbindungsformen der Zeit — womit jeder Kalender

innig verknüpft ist — finden sich immer und überall, wo es Menschen gibt

2

.

Die V o r r ä n g e ergeben sich sinngemäß.

XVIII.

Das Eigenleben des Gliedes in der Zeit

(Freiheit und Schicksal)

Das Eigenleben des Gliedes kraft der „lebendigmachenden Eben-

bildlichkeit“ wurde bereits in der „Kategorienlehre“ behandelt.

Hier sind nur Ergänzungen vom Standpunkte der Umgliederung

nötig.

A.

F r e i h e i t

Die Ganzheit stellt sich nicht mechanisch in Gliedern dar, son-

dern diese, obzwar in ihr befaßt, sind nur durch Eigenleben, Selbst-

setzung, vita propria. Aber dieses gliedhaft sich selbst setzende

1

Vgl. oben S. 12 f. die Anführung aus Polybios.

2

Vgl. oben S. 9 ff. und 77 ff.