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das / „Geschaffenwerden“: Vorgefundene Rezeptivität, freies Erleiden der Ein-

gebung

1

.

Damit ist sowohl der „ D e t e r m i n i s m u s “ , wie eine abstrakte, allge-

meine „ W i l l e n s f r e i h e i t “ , die nur schrankenlose Willkür wäre, vermie-

den. Es ist (1) ein Gebäude arteigener Freiheiten an die Stelle jener e i n -

f a c h e n „Determination“ oder einfachen „Freiheit“ gesetzt; und es ist (2) das

Gliedhafte aller arteigenen Freiheiten verständlich gemacht (die überdies keine

bloße „Wahl“, sondern ein Setzen in sich schließen). Der M e n s c h i s t i n

a l l e n S c h i c h t e n a r t e i g e n f r e i , a b e r n u r n a c h M a ß g a b e

s e i n e r G l i e d h a f t i g k e i t . Darum gilt: der Staatsführer ist nach Maßgabe

seiner Eigenschaft als führendes Staatsglied, der Heerführer nach Maßgabe seiner

Eigenschaft als führendes Heeresglied, der Bürger nach Maßgabe seiner Geführt-

heit im Staate, der Krieger nach Maßgabe seiner Geführtheit im Heere Freund

und Gefreundeter nach Maßgabe ihrer führenden oder geführten Stellung in der

Gezweiung — frei.

Diese der Ausgliederung angehörige Freiheitenlehre gilt auch unmittelbar

für die Umgliederung und bewährt sich als g e s c h i c h t l i c h e F r e i h e i -

t e n l e h r e , indem aus den arteigenen Freiheiten der einzelnen Menschen als

den Gliedern der geschichtlichen Ganzheiten auch die arteigenen Freiheiten

dieser geschichtlichen Ganzheiten selbst, sei es der anstaltlichen (wie Staat, Kirche,

Sippe), sei es der geistigen (Kulturen, religiöse Gezweiungen usw.) erkenntlich

gemacht werden, wie umgekehrt.

Wesentlich für die geschichtliche Freiheitenlehre ist schließlich

noch die B e s t i m m t h e i t o d e r U n b e s t i m m t h e i t

d e s G e s c h i c h t s v e r l a u f e s . Tatsache ist, daß alles, was

geschieht, nach der Vergangenheit hin gesehen bestimmt, notwen-

dig; nach der Zukunft hin gesehen, unbestimmt, frei erscheint. Wie

wird nun die Geschichte durch Vergangenes bestimmt? Die Ant-

wort lautet: nicht nach mechanisch-ursächlicher Weise, nicht nach

naturhafter Eindeutigkeit. Die Bestimmtheit besteht vielmehr nur

darin, daß das Geschehen Folgen erheischt, gleichwie Vordersatz

und Mittelsatz einen Schlußsatz logisch fordern. Aber diesem For-

dern kann nun entweder stattgegeben werden oder nicht. Die ver-

gangene Tat ist ein Bestimmungsgrund; die neue Tat ist in ihrer

Weise wieder frei. Geschichte ist nur, was aus der Vergangenheit

nicht vollständig erklärt werden kann. — In / welcher Weise aber

auch die Z u k u n f t nicht etwas schlechthin Leeres und Ab-

straktes ist, sondern als schon vorgegenwärtig und mitbestimmend,

das haben wir teils schon berührt, teils ist es späteren Untersuchun-

gen vorzubehalten.

1

Vgl. unten S. 315.