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43

a . P o t e n z e n l e h r e

Die Grundlage der Geschichtsphilosophie in Schellings späten Jahren ist die

von ihm Potenzenlehre genannte Grundlegung der Ontologie

1

. Schelling unter-

scheidet drei Potenzen des Seins im Sinne des dialektischen Verfahrens und eine

vierte Potenz (A

0

), welche alle drei überhöht. Unter- / scheidet man die „Poten-

zen an sich“ (I), dieselben Potenzen in der reinen Ideenwelt (II), dieselben Poten-

zen nochmals in der wirklichen Welt (III); und nimmt man hinzu, daß Schelling

das Minus- und Plusvorzeichen für die bereits wirksam gewordenen Potenzen

durch hoch 1, 2, 3 ersetzt, so glaube ich folgendes Bild entwerfen zu dürfen:

I

II

-A A

1

+ A

i

A

2

±

A A

0

A

3

A

0

III

A

1

(B)

A

2

A

3

A

0

Die Bedeutung dieser Reihen ist folgende:

— A + A ± A (der ersten Spalte) sind die Potenzen oder „Gestalten“ „Prin-

zipien“ „άρχαί“ des absoluten Seins in Ruhe, das heißt der

reinen Möglichkeit nach;

A

1

A

2

A

3

(der zweiten Spalte) sind die Potenzen in Bewegung; denn

erst in der Bewegung werden sie zu den w i r k l i c h e n

Potenzen und zwar vorerst nur der idealen Schöpfung

(Ideenwelt in Gott);

A

1

(B), A

2

, A

3

(der dritten Spalte) sind die wirkliche, außergöttliche Welt,

in der wir leben.

Über die Bedeutung der einzelnen Zeichen mögen folgende Hinweise hier

genügen:

— A ist das reine S e i n k ö n n e n , die aktive Möglichkeit, der noch un-

bestimmte Wille, das Ursubjekt, das „urständliche Sein“; die Thesis;

+ A ist das S e i n m ü s s e n , das Sein ohne alles Können, der schon be-

stimmte (schon entschiedene) Wille, das reine Prädikat, Urprädikat (Objekt), das

Sein ohne innere Selbstheit (ohne eigenen, noch freien Willen) das rein gegen-

ständliche Sein; die Antithesis;

± A ist „das von beiden Ausgeschlossene“, das keines für sich ist, weder das

Können, noch das Müssen; die Kopula; die Ursynthesis von Subjekt und Prädi-

kat; Geist, das Beisichsein;

A

0

ist der Inbegriff aller drei Setzungen zusammen, aber im Stande der „Gleich-

möglichkeit“, das ist der Indifferenz von—A, +A, ±A; das rein in sich gesetzte

Seiende; Prinzip; Gottheit; das Absolute; daher zugleich das ganze Seiende, da-

her auch die Seele, Weltseele, aus der das Menschenwesen genommen ist

2

. Dem-

nach ist A

0

zugleich: Gott als solcher, der in allen Potenzen ist, o h n e s e l b s t

in den Prozeß / derselben einzugehen, denn er ist nur der Inbegriff ihrer Gleich-

möglichkeit, zugleich die „Wirklichkeit, die jeder Möglichkeit zuvorkommt“.

1

Vgl. Schelling: Sämtliche Werke, Bd 13, S. 211 f., S. 273 ff.; Bd 12, S. 204 ff.

und öfters; Bd 11, S. 288 ff.; dazu: Constantin Frantz: Schellings Positive Philo-

sophie, Bd 1, S. 108 und 134 ff.

2

Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 528.