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Diese Potenzen oder Urmöglichkeiten sind rein im Sinne einer ontologischen

Analyse zu verstehen (wohl nach dem grammatisch-logischen Verhältnisse —

Subjekt — Prädikat — Kopula als Einheit beider). Sie sind noch kein Sein, nichts

Wirkliches, sondern nur das, was an einem Sein wäre, w e n n es hervorträte.

b . Der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n W a s u n d D a ß

Ein entscheidender Gedanke der Geschichtsphilosophie Schellings ist die Unter-

scheidung des Wesens oder des Begriffsinhaltes eines Dinges und des wirklichen

Daseins des Wesens (nämlich als Ding), jener Unterschied von „Was es ist“

(τί εστι) und „Daß es ist“ ("Ευ τι, das Daß zum Unterschiede von τό διότι, das

Warum), von Existenz und Essenz, der sich schon bei Aristoteles und Kant fin-

det. Das Was, das heißt der Wesensinhalt (den der Begriff angibt), ist die ratio

einer Sache, das R a t i o n a l e und nach Schelling insofern nur das N e g a -

t i v e , als es von der Erfahrung des wirklichen Daseins absieht. Das „Daß“, die

Wirklichkeit des Daseins eines Wesensinhaltes, einer ratio, kann uns nur die Er-

fahrung selbst angeben. (Der Begriff des Hauses sagt nicht darüber aus, ob das

Haus gesetzt sei.) Daher Schelling seine Lehre auch metaphysischen Empirismus

nennt.

Die Potenzenlehre der ersten Spalte nun ist noch eine Lehre vom Was. Daß

die Potenzen wirken, daß die Welt existiert, daß überhaupt etwas ist und

nicht nichts ist — das ist, wie Schelling nicht müde wird zu sagen, eine schlecht-

hin irrationale Tatsache. Sie beruht auf reiner Tat, auf Urtat, auf dem Irratio-

nalen jeder Tat.

Die Potenzen ( + A, —A, ±A) an sich sind noch nicht die Tatsache. Sie ent-

halten nur „eine unerschöpfliche Möglichkeit von Gestaltungen des reinen Seyen-

den, von denen wir doch nicht sagen können, ob sie wirklich seyn werden...

Erst dann, wenn die Potenzen „in Bewegung“, „in Spannung“ geraten, entsteht

das Wirkliche. Schelling sagt darüber: die erste Potenz „erhebt sich“ und geht in

das wirkliche Sein über. Damit beginnt der immanente Schöpfungsgang, das

i n n e r g ö t t l i c h e S c h ö p f u n g s l e b e n . Schelling nennt sie nun A

1

(das

später „B“ wird). Das Seinkönnende wird zur (idealen) Materie. Wir können das

durch folgende Tafel verdeutlichen:

—A wird zu A

1

= das Seinkönnende wird „substantialisiert“

2

= (ideale)

Materie;

entspricht dem Vater;

+ A wird zu A

2

= das Reinseiende (dem die Macht der Verwirklichung erst

gegeben werden mußte) = die Sonderung der idealen

Qualitäten

(Prädikate); entspricht dem Sohne;

± A wird zu A

3

= das seiner selbst Mächtige, das sich selbst Besitzende

= das Hervortretende der organischen Welt

= das

Seinsollende;

entspricht dem Geist (Subjekt

= Objekt).

A

0

wird nunmehr das 4. Prinzip = die Einheit aller 3 Potenzen „. .. das vom

Seienden, Materiellen . . . Sichlosreißenkönnende, was frei gegen das Seiende“ ist

3

;

absoluter Geist.

1

Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 390 f. und 389.

2

Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 110.

3

Schelling: Sämtliche Werke, Bd 11, S. 407 f.