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wonach der Mensch aus Olympischem und Chthonischem gemischt

sei, z. B. aus Dionysos und den Titanen: Hier spielt die abgeleitete

Kategorie des „Verlustes der Flügel“ (Platon), das heißt des Falles,

sichtlich herein

1

.

Z u s a t z ü b e r d e n H e r r s c h e r k u 1 t

Zu den ins Magische hinüberspielenden Entartungen des Mythos von der gött-

lichen Art des Menschen gehört die schon erwähnte Vergöttlichung einzelner

Menschen, insbesondere der Herrscherkult. Zum Beispiel war der indische Fürst,

waren auch der altjüdische Hohepriester und andere für fremde Verbrechen und

überhaupt für den Lauf der Dinge verantwortlich

2

. Der Hohepriester wurde mit

Jahwe in unmittelbarer Verbindung gedacht und in diesem Sinn vergöttlicht.

Überhaupt hatte das alte Königtum bekanntlich durchaus sakralen Charakter,

wofür nur an die hellenistischen und römischen Herrscherkulte erinnert sei. Das

deutet auch darauf hin, daß ursprünglich nur der mystisch-magisch Geschulte

zum Herrscheramt berufen war.

Um auch die konkretisierende Bedeutung der Kategorie der Gottverwandt-

schaft an einem Beispiel darzutun, hier noch einige Einzelheiten. Karl Koch sagt

über das altrömische Königtum: „Noch Varro spricht an einer Stelle (ling. lat.

VII, 8), deren textliche Unversehrtheit nunmehr feststeht, im Bildlichen von

adytum et initia regis (das Allerheiligste und das Weihegeheimnis des Königs)

und bezeichnet damit ein Geheimnis, in das der einfache Mensch vorzudringen

nicht in der Lage ist. Das Innerste der römischen regia (domus) auf dem Forum

neben dem Vestatempel war dem profanen Zutritt entzogen... (man ist) sich

in der Wissenschaft einig, daß das heilige Feuer der Vesta aus diesem Herdfeuer

des alten Königspalastes hervorgegangen ist. Daher stammt das tiefe Geheimnis,

das diesen Gottesdienst noch während der gesamten historischen Zeit einhüllt...

Der Grund für diese Sonderstellung des Königspalastes aber liegt darin, daß er

vor dem Aufkommen selbständiger Tempelbauten auch dem Gotte als Wohn-

stätte diente, ein Zustand, der sich z. B. aus einer Odysseestelle (VII, 81) für das

ältere mykenische Königtum / noch einwandfrei erschließen läßt“

3

. Es besteht

die Überzeugung, daß die königlichen Opfer im „Weltplane der Himmlischen eine

durch nichts ersetzbare Stelle einnehmen. Bei den alten Schweden z. B. war die

Fruchtbarkeit des Jahres abhängig von den blutigen Opfern, die der König dar-

brachte; versagte ihre Wirkung, wurde er selbst auf dem Scheiterhaufen dahin-

geopfert“

4

. Hier ist die Erklärung für den r i t u e l l e n K ö n i g s m o r d , der

noch heute nach Leo F r o b e n i u s in Afrika besteht: kraft seiner besonderen

Gottverwandtschaft hat der Herrscher oder Hohepriester die Verbindung mit der

transzendenten Schutzmacht des Volkes aufrechtzuerhalten. Daher die überaus

1

Siehe oben S. 106 ff.

2

Oskar Goldberg: Die Wirklichkeit der Hebräer, Berlin 1925, S. 132 ff. und

öfter.

3

Gottheit und Mensch im Wandel der römischen Staatsformen, in: Das neue

Bild der Antike, herausgegeben von Helmut Berve, 2 Bde, Bd 2, Leipzig 1942,

S. 134.

4

Das neue Bild der Antike,. .. S. 136.