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aus sekundär, sind nur Anwendungen, nicht das Primäre, wie sich
schon zeigte
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c. L i e b e
Die Liebesgottheiten und ihre Mythen sind allerdings mit dem
leiblichen Leben des Menschen und insofern mit dem Naturleben
unmittelbarer verbunden als die anderen Kategorien; daher auch hier
in G ö t t e r - u n d M e n s c h e n v e r m ä h l u n g e n , i n
F r u c h t b a r k e i t s g ö t t e r n usw., am ehesten ein grober
Naturalismus platzgreifen kann. Andererseits sehen wir in der
himmlischen Aphrodite, in der Bhaktilehre (bhakti = Hingabe,
Liebe) der Bhagavadgita und im Hinduismus, wo der Heilsweg der
Liebe, nicht nur der Erkenntnis wie in den Upanischaden, verkün-
det wird, die kategoriale Einheit von Gottes-, Menschen- und
Geschöpfesliebe wieder als Urgrundlage des Mythischen hindurch-
schimmern.
C. Z u s a m m e n f a s s u n g . D i e G r u n d l a g e n d e r
p o l y t h e i s t i s c h e n T h e o l o g i e n
Sehen wir der Einfachheit halber von den anderen abgeleiteten
Kategorien ab, so ergibt sich zusammenfassend: Die Grundgesetze
der Mythenbildung gehen gemäß den religiösen Kategorien auf die
Gottverwandtschaft der Menschen (Urmensch), die Theomorphie
der Welt (Theogonien), die Unsterblichkeit und das Schicksal der
Seele nach dem Tod (Totenmythen, Weltgericht), ferner gemäß den
abgeleiteten Kategorien auf die Erlösung (sterbender und auferste-
hender Gott), die Erklärung des Bösen (Abfall, Dualismus) und die
Liebe zurück — um nur an das Wichtigste zu erinnern.
Schon hiermit ist das scheinbar so undurchdringliche Dickicht der
Mythen fürs erste gelichtet.
Nun ist es nicht mehr unklar, daß und warum die Naturmythen
und auch die des geistig-sittlichen Lebens nicht von primärer, son-
dern stets nur von abgeleiteter Art sind. Denn erst durch die An-
w e n d u n g der mystisch-religiösen Kategorien können die geistig-
sittlichen Gottheiten, wie Apollon, Athena, Ares und die Musen
entstehen. Und in der Natur treten erst infolge dieser A n w e n -
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Vgl. auch unten S. 202.